Bei den eidgenössischen Meisterschaften im Erdöpfel-Weitwurf siegte ein Schwyzer mit der Weite von immerhin 3,72 Metern. Sämtliche Konkurrenten im Stossen mit der Riesen-Kartoffel lagen stattliche 11 Zentimeter und mehr dahinter. Der Schweizer Rekord von 4,11 Meter blieb indessen unangetastet und klar ausser Reichweite der antretenden Titanen.
In der Gunst der Connaisseure noch etwas höher angesiedelt ist der Paartanz-Wettbewerb. Hier triumphierte ebenfalls die Innerschweizer Delegation, diesmal jedoch die Dependance aus dem Entlebuch. Schlussendlich machten die vor einem begeisterten Publikum gezeigten technischen Finessen, fein gepaart mit vollendet einstudierten höchsten Schwierigkeiten, den knappen jedoch verdienten Unterschied im Sägmehl.
Die wie meist ziemlich starke Konkurrenz zeigte beim diesjährigen Turnier nichtsdestotrotz durchgängig eine beeindruckend fantastische Körperbeherrschung und durfte – dank ihrer einfallsreichen und in nahezu synchroner Perfektion präsentierten Ausdruckstänze – noch bis zum Final auf einen eventuellen Gleichstand in der Endabrechnung hoffen.
Nichts wirklich neues, Bewegung ist alles und Stillstand nichts. Das Matterhorn schwingt in dieser Animation zumindest etwas übereifrig, wie das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung zu berichten weiss. Scheint fast, als wolle der Bergriese potentielle Bezwinger geradezu rodeoartig abwerfen.
Beim alle drei Jahre stattfindenden Eidgenössischen Schwingerfest unterlag der von Lidl.ch geponserte Seeländer Stiernacken Chrigu Stucki dem Emmentaler Sempach Matthias im Schlussgang. Obwohl Ersterer ein gutes Drittel mehr Lebendgewicht als der neue Schwingerkönig auf die Waage brachte, setzte sich Technik gegen Kraft durch. Als ich das Riesenbaby auf der Appenzeller Schwägalpschwingete erstmals leibhaftig beäugte, dachte ich zunächst er sei der Grüezini von Lidl, weil er dort auf Pappe aufgezogen lebendgross immer am Eingang rumsteht.
Die hiesigen Statthalter von Herrn Schwarz bewiesen ein gutes Händchen, indem sie den Hünen als Markenbotschafter unter Vertrag nahmen, auch wenn dessen Vereinnahmung durch den aggressiv auftretenden ausländischen Discounter zunächst in der heimatverbundenen Schwingerszene gar nicht besonders gut ankam.
Dafür hat die Migros als Hauptsponsor des Schweizer Nationalsports nun die Genugtuung, die Königswürde weiterhin im eigenen Detailhandel fachgerecht verwursten zu können.
Bei den ausgewachsenen Schwingfest-Hauptpreisen kommt es öfter mal zu Gelenkproblematiken, was Angesicht einer schieren Masse von weit über einer Tonne Lebendfleisch auch nicht verwundert. Stutzen tat der Hobbyschweizer aber, als er vom vorzeitigen Ableben des diesjährigen Siegerstieres für das Eidgenössischen Schwingerfest erfuhr, zumal dieser ausgerechnet auf den Firmennamen des edlen Stier-Spenders, eines in der Schweiz marktbeherrschenden Kraftfutterherstellers getauft wurde. Dabei hatte das Vieh diesmal sogar eine eigene Homepage und, klärchen, ein Facebook-Fake. Traurig das. Also das und das, UND das. Es stand aber rasch Ersatz parat und so musste lediglich die Fellzeichnungs-Tapete im Internet ersetzt werden…
Nachdem im Zürcher Fussball-Derby der in der Weltklasse-Stadt angesagte lässig-schicke und vintagemässig voll auf Understatement gebügelte Dresscode nicht ganz so eingehalten wurde, wird es künftig vermutlich ein paar Geisterspiele im zugigen Letzigrund geben.
Dem ganzen Schlamassel vorangegangen war ein pupertärer Fahnenklau und der daraufhin überschäumende Testosteronpegel gab dem Fest schliesslich den Rest. Tatsächlich sind Hools & Fools im international zweitklassigen Schweizer Fussball noch immer erstklassig.
Beim vom Hobbyschweizer am selbigen Nachmittag en passant beäugten Viertligaspieles (2:7) sah dagegen selbst die Stadionwurst anregend familienfreundlich aus. Und Schwingfeste sind sowieso der reinste Kindergeburtstag mit lauter SVPlern netten Würsten.
Zum Abschluss des diesjährigen Lehrgangs wurde als saisonaler Höhepunkt die Bachtel-Schwinget im Zürcher Oberland begutachtet. Kaiserwetter und der Jodelclub Scheidegg krönten den nett gelegenen kleinen Schwingplatz, von dem aus ein hübscher Balkonblick über den Zürichsee in die alpine Bergwelt ins Auge fiel.
Sowieso werden künftig nur noch ausgewiesene Bergfeste anvisiert, sofern einem der Himmel nicht gänzlich auf den Kopf fällt.
Ein laut Ansager „tausend Kilometer östlich von Moskau“ beheimateter junger Schwingerfreund sorgte für internationales Flair und gewann unter herzlichem Applaus immerhin seinen letzten Gang. Beim Intermezzo Steinstossen wurde mit dem 43 Kilo schweren Bachtelstein gestossen, bloss war der gar nicht aus Käse. Die nach einem leichtsinnigen Hebeversuch gerade im Entstehen gefühlte akute Zerrung am Hüftbeuger verhinderte vorzeitig die Aufnahme des Wettkampfes durch den etwas überheblichen Hobbysstosser.
Als die von Napoleon eingerichtete Helvetische Republik noch vor der Schlacht von Austerlitz ihr Ende feierte, gefiel es dem Berner Bürgertum ein Älplerfest zu organisieren. Stadt und Land sollten wieder näher zusammenrücken, gemeinsame Wurzeln erkennbar und das nationale Pathos reanimiert werden. Vielleicht waren die Eidgenossen es auch einfach leid, mit einer farblich fragwürdigen Trikolore in Verbindung gebracht zu werden und strebten nach markenreiner Swissness.
Volkssport und Brauchtum trafen sich 1805 bei Interlaken erstmals zum fröhlichen Miteinander. Anfang September 2011 kommt es aufgrund der sehr unregelmässigen Wiederholungen zur erst 11. Auflage des Unspunnenfestes, dem Wimbledon der Eidgenössischen Älplerfeste.
Der originale Unspunnenstein ging im Lauf der Zeit schlicht verloren. Die Steinstosser beschafften sich im Berner Oberland einen Ersatzstein, welchen Jurassische Freischärler 1984 entführten. Der Konflikt zwischen Bern und Jura scheint auch nach der Kantonsneugründung von 1978 munter weiter zu schwelen, der Schwelbrand selbst begierig auf symbolbefrachtetes Gestein zu sein.
Der von den Kidnappern durch das Anbringen von Europasternen entweihte Stein wurde zwar 2002 zurückgegeben, doch kurz vor dem letzten Fest erneut entwendet und an seiner Stelle ein Pflasterstein mit Jura-Wappen zurückgelassen. Bei dieser Aktion schimmerte immerhin etwas Humor durch…
Jüngst nun die nächste Schreckensmeldung: für das diesjährige Fest musste „aus gesundheitlichen Gründen“ der bereits getaufte Siegerstier ausgetauscht werden!
Nach einem halben Jahr Sammelstressspass nebst unnötiger Geldausgaben und überflüssiger Zeitverschwendung sind alle 178 Bildli eingeklebt. Den Schlusspunkt unter das langwierige Hin- und Hergetausche setzte Nummer 167 (per Post aus Luzern) — jetzt kommt das grosse schwarze Loch…
Auffällig war, dass 80 Prozent der Tauschpartner Mädchen oder Frauen waren. Schwingen ist halt sexy.
Als beim Eidgenössischen ein junger Berner Senn nach sieben Siegen ensuite bereits vor dem letzten Gang uneinholbar in Führung lag, war das Kopfzerbrechen von Jury, Fachleuten und Zuschauern gross, ob — im etwaigen Falle einer Niederlage im traditionellen Schlussgang — er lediglich als Erstgekrönter oder trotzdem zum König ausgerufen werden solle.
Emporkömmling Wenger Kilian liess aber an jenem heissen Wochenende alles kalt und er bodigte schlussendlich auch seinen achten Gegner.
Ein Hüfter komplettiert den totalen Sieg
Für den neuen Schweizer Liebling steht IMG als Vermarkter parat und der Lidl-Stucki jetzt etwas dumm da. Trotz langatmiger Positionierung als urchige Marke hat er sich zu billig an den Falschen verkauft und wird nun auch noch mit rechtem Gedankengut („Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht“) in Verbindung gebracht. Marketingtechnisch reiner Sepukku.
Generell werden durch die zunehmende Gigantonomie des Älplerfestes selbst kleinere Nachbeben innerhalb der Schwingerszene medial verstärkt.
Ein typischer Fall des dialektischen Umschlags von Quantität in Qualität.
Als Schmankerl zum Saisonausklang noch ein eindrücklicher Hintergrundbericht einer (professionellen) Besucherin des Eidgenössischen Schwingfestes und ein für Nicht-Helveten aufschlussreicher Artikel in der FAZ.
Die zwei grössten Hosen treffen gleich im ersten Gang aufeinander. Das ist gewollt und üblich beim Schwingen — dadurch wird der Wettkampf quasi von Anfang an forciert!
Hopp Abderhalden, Forrer (Nöldi!), Fausch (!) und natürlich Pellet! Der Publikumsliebling unter den Schwingerfans wird aufgrund seiner attraktiven und risikofreudigen Kampfweise von den im Allgemeinen eher zurückhaltenden Zuschauern regelmässig mit Sprechchören angefeuert.
Zum Bildli-Tauschen hätt ich von den Spitzenpaarungen her gerade Lauper, Zbinden und Koch; für den Zbinden will ich aber zwei retour, weil mir der auf der Schwägalp (neben Pellet) recht imponiert hat…
Die Spannung steigt und der Gabentempel ist eröffnet. Das (temporär) grösste Stadion der Schweiz bietet fünfzigtausend Gefolgsleuten Platz, um am Sonntag den König zu ehren.
Die Tickets waren innert drei Stunden ausverkauft — Swisspa hatte kein Glück und muss nun leider draussen bleiben…
Die Generalprobe für das Eidgenössische fand auf der Schwägalp direkt unterhalb vom Säntis im Kanton Appenzell statt und dabei schiffte es ausgiebig. Der Festplatz wurde zu einer Matschlandschaft und nur die Schwinger fanden etwas Halt im Sägmehlring. Trotzdem wurde das Volksfest durchgezogen und die Bratwurst schmeckte wieder prima.
Der Siegerstier hiess diesmal Robin und war ein tonnenschwerer Prachtkerl. Wie üblich gab es für den Zweiten eine Milchkuh und für den Drittplatzierten ein Fohlen.
Unterhaltung wurde von wohlklingenden Jodlern aus dem Emmental geboten und die Alder Streichmusik aus dem Toggenburg spielte ebenfalls herzerwärmend auf. Schwingen boomt munter weiter und trotz Wind & Wetter waren 9.000 Regenjackenträger vor Ort um den Kolossen beim Hosenlupf zuzuschauen.
Für den Gesamteindruck noch ein zittriger Schwenk über Berg- und Festgelände:
Aufgrund der überraschend grossen Nachfrage wird die Schwingen-Serie fortgesetzt — heute mit dem Portrait einer Hose:
lässig abgelegte Schwingerhose, gebraucht
Schwingen wird im Schweizer Volksmund auch Hosenlupf genannt. Die Schwingerhosen aus strapazierfähigem Sackleinen werden vor dem Gang angelegt und mit einem Ledergürtel fest gegurtet.
Die Schwinger fassen sich zu Kampfbeginn gegenseitig mit einer Hand an den rückwärtigen Saum der Schwinghosen. Während des Kampfes wird versucht den Gegner durch Ziehen und Zerren an der Hose aus dem Gleichgewicht zu bringen, um einen entscheidenden Schwung anzusetzen. Ein Sieg durch bodigen ist nur dann gültig, wenn mindestens eine Hand des Siegers an Hose oder Gürtel des Gegners Griff hält!
Das 100. Zürcher Kantonalschwingfest in Wald/ZH wurde nun tatsächlich mein erstes! Der Wetterbericht erlaubte die Ausrichtung kurzfristig — tatsächlich gab es wegen Wetterunsicherheit eine telefonische Auskunft ab 5 Uhr in der Sonntagsfrüh und einen Ausweichtermin.
Erster Eindruck vom Festgelände von hinten
Geschwungen wurde auf dem örtlichen Sportplatz in fünf Sägemehlringen um den Hauptpreis Zucht-Stier Caruso:
Zuchtbulle Caruso in seiner Box hinterm Festzelt
Der Bulle Caruso wurde mit den anderen Lebendpreisen während des Schwingens auf den Platz geführt und dem Publikum vorgestellt. Bestimmt verlieh das Erscheinen von Caruso den Schwingern zusätzlichen Antrieb.
Caruso & Co. im oder am Ring
Im reichhaltigen Gabentempel waren diverse Schreinerarbeiten, Haushaltselektronik, Kuhglocken, Fahrräder, Sportschlitten aber auch iPhones ausgestellt. Für jeden der Schwinger gibt es am Ende einen Preis, selbst für den Letztplatzierten.
prüfende Blicke im Gabentempel
Ex-Teletubby und jetzt Bundesrat mit Zuständigkeit für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Ueli Maurer war als Ehrengast geladen, schliesslich wohnt er direkt um die Ecke und steht mit seiner Partei sowieso für das eher Bodenständige. In seinem Grusswort offenbarte der Maurer Ueli ihm gäbe ja so eine Veranstaltung viel Kraft für seine Arbeit in der Bundesstadt Bern, weil er die benötigte Kraft gerade an solchen Orten zu solchen Anlässen tanken könne, aber nicht etwa von den hier tätigen Schwingern, sondern von uns ziemlich Gewöhnlichen. Ueli ein Vampir? Er sieht ja ein wenig so aus…
Das Wetter spielte prima mit und pünktlich zur Finalrunde gab es ein heftiges Gewitter, welches den Platz flugs von Neugierigen leerte und das Festzelt blitzartig mit den Flüchtenden flutete. Die Schwinger schwangen tropfnass munter weiter.
Der ultimative Schlussgang war dann kaum zu beobachten, weil Rasenplätze und Holztribüne zu nass zum abhocken und Stehplätze mit freier Sicht rasch vergeben waren. Immerhin bekam ich mit, wie der Toggenburger Abderhalden Urs gegen den Bündner Clopath Beat schnell in Rücklage geriet, verzweifelt versuchte eine Brücke zu halten, dem Druck aber schliesslich nicht mehr gewachsen war und gebodigt wurde. Aus, vorbei und Jubel beim Publikum weil quasi Überraschungssieger.
Zusätzlich zu den Lebendpreisen gab es für die besten Schwinger noch was auf den Kopf, nämlich einen plastifizierten Eichenlaubkranz. Auf den Zuruf „Krönen!“ wurden den vor Dirndelmädchen in ritterlich knieender Haltung verharrenden Schwingern diese Auszeichnung verpasst. Einen solchen Kranz bei Schwingerfesten zu erringen gilt als Erfolg und die Anzahl der gewonnen Kränze gemeinhin als Gradmesser für die Fertigkeiten des Schwingers.
Plaste und Elaste aus Schkopau?
Zusammen mit der vorzüglichen Bratwurst hinterliess meine Premierenschwinget einen währschaften Eindruck. Besonders effektvoll ist das dumpfe Geräusch beim Aufschlagen der massigen Körper auf dem Sägemehlteppich. Dazu ein Jodelchor, Fahnenschwinger, Alphornbläser, Blasmusikkapelle, Gewitterdurchzug — herrlich exotisch det janze!
Schwingen ist ein hohes eidgenössisches Kulturgut mit starkem Boomfaktor: die scheinbar heile Älplerwelt quasi als Sehnsucht stillendes Gegenstück zu fortschreitender Urbanisierung und Globalisierung.
Die urwüchsige körperliche Auseinandersetzung von weit über 100 Kilo schweren Kolossen in einer einfachen Sägemehl-Arena untermalt von einem zünftigen Folkloreprogramm besitzt Volksfestcharakter und erreicht werbeträchtigen Kultstatus. Der Toggenburger Schwingerkönig Abderhalden Jörg wurde vom Fernsehpublikum 2007 gar zum Schweizer des Jahres erkoren!
Sicherlich wird einem die Birne etwas weich durch die permanente Volksmutantendudelei auf den Festplätzen. Eine gewissenhafte Vorbereitung in einem harten Trainingslager auf Radio neo zwei empfiehlt sich.
Anlässlich vom diesjährigen Schwing- und Älplerfest wurde eine etwas rustikale Version der Panini-Bildchen-Seuche ausgelöst. Der Hobbyschweizer ist bereits angesteckt und hat hochgradiges Tauschfieber.
Auf Sammelkönig gibt es weitere Details. Tauschwillige bitte melden!