Zügelblitz

Vom Familienbiotyp der Zwergensiedlung ins babylonische Exil

Die Gentrifizierung schreitet auch in der Wohngenossenschaft munter voran und der Hobbyschweizer wurde downgeradet. Halbe Familie, halbes Umfeld. Immerhin einen Raucherbalkon kann er als aktiver Nichtraucher nach Gusto bespielen und die Aussicht auf das Bettenhaus vom Triemli-Spital ist grandios. Auch die Flugkünste der Rettungshelikopter könnte er bewundern, würde er mitts zur Nacht sich von seinem Diwan erheben, um die Flugkurven bis zur Landung zu studieren. Ja – Landeplatz fast vor Nase.

Passende Handkarre zum sozialen Abstieg.

Leider steht ein fieser Nadelbaum direkt im Sichtfeld zum Refugium von Waliser Gastroschlawiner Guisep Fry aka Top of Zurich noch besser bekannt als Uetliberg und daher sind Beobachtungen alpiner Kletterkunst künftig leider erschwert. Aber Klettern momentan ohnehin nicht drin: nach dem Ortswechsel Körper deutlich spürbar, Seele flatternd und Geist (noch) am umherziehen. Next stop Dreieinigkeit.

Legendenbildung


pic: mobilalexa, flair: siebesiech

Verblüffung beim Zwischenhalt

Die Hohle Gasse wurde erst 1934 (neu) angelegt: historisch angelehnt und recht holpriger Pflasterweg, moosige Begrenzungssteine, Tunnel-artig bewachsen. Führt zu einer Kapelle. Diese wurde an jener Stelle errichtet, wo der Freiheitskämpfer den Landvogt heimtückisch ermordet haben soll. Moderne Fünfsprachige Schaufensterinstallation, Geschichte wird auf Knopfdruck erzählt. Auch dass Schiller nie die Schweiz besuchte. Doch mit welch Geschick die Eidgenossen seit über 700 Jahren den Original-Apfel quasi lebensecht konservieren ist fürwahr erstaunlich – da könnte manch Titanen-Mausoleum noch von lernen.

Testfieber

Asymptomatische Weiterverbreitung aufspüren und stoppen ist Sinn jeder Teststrategie in der laufenden Pandemie. Das trickreiche Virus camoufliert permanent und sorgt so für viel zu viel trügerische Sicherheit, da könnte der Gedanke clever-by-design schon mal aufkommen. Stören etwa Antikörper die Rezeptorbindung der Invasoren, kann dies in der Folge zu stärkeren Bindungsanstrengungen des Virus führen, Stichwort Immunescape.

Vor dem Lockdown ist nach der Lockerung und umgekehrt. In der Schweiz stehen jetzt allen Krankenversicherten fünf Schnelltests pro Monat gratis zur Verfügung und ab sofort wird autonom getestet. Den Basler Pharmagiganten Roche wird es freuen und der ist nach 9 Mio. ausgelieferten Tests bereits ausverkauft. Selbstversuch macht also klug – ob jedoch ohne integriertem Lügendetektor positive Resultate allseits gemeldet werden und Quarantäne freiwillig angetreten wird, bleibt leider fraglich.

Abgestrichen, gelöst, pipettiert und abgelesen.
Ein Strich gut, zwei Striche böse.

Die scheinbare Umkehrung der Beweispflicht mag etwas irritieren und zudem ist Vertrauen gut, Kontrolle meist besser. Also wird der Selbsttest vom Hobbytestjunkie im Testcenter professionell verifiziert und das in neuer Rekordzeit von ganzen 37 Minuten von Erscheinen, Entnahme bis Resultat. Geht doch.