Schweiz + FIFA = Fairplay
Monat: Mai 2015
Delikat Essen LXII
Völlig unklar was für ein denglisch machendes Kraut obige Banner-Werber für ihre Inspiration getestet haben, eingetütet war es bestimmt aber in das Albumcover von Devendra Banharts Freak-Folk-Schocker Cripple Crow. Ansonsten lässt sich der Styleguide nur arg schwer herleiten, welcher unbedingt auf Schwäbisch Soulfood abhebt. Wobei: vielleicht gelingt es der musterländischen Koalition vor ihrer Abwahl noch eine Freigabe landestypischer Halluzinogene in regional schützenswerte Teigtaschen umzusetzen.
Als überregionale Markenbotschafterin hätten wir übrigens ein auf Maultaschen-Affinität erfolgreich getestetes Werbemodell parat:
Kuschelkreuz
Während der Deutschschweizer Reformator Huldrych Zwingli selbst noch die eher harmlosen Orgeln aus den Kirchen entfernen liess, standen Bildersturm und Feierlaune im Lutherland in einem viel ausgewogeneren Verhältnis. In reformierten Kirchen der Schweiz findet man bis heute kaum ein Kreuz, geschweige denn ein Kruzifix. Fast 500 Jahre nach dem Big Bang gibt es aus dem grossen Kanton nun das wattierte Symbol für den gutmenschlichen Preis von knapp 100 Euronen. Abgesehen von der pekunären Chuzpe ist rein figürlich betrachtet das Ganze eine überraschend gelungene Demaskierung der protestantischen Ethik im Geist des Kapitalismus, n´est-ce pas?
Kunst sells.
Master klein 0815
3099 — ja — drei null neun neun. Hörsch mich? Hörsch mich — du ich machs nur kurz , wolle mir morge was mache — ich weiss, ich bin grad im Zug, da isch net so guter Empfang. Hi Chris, hier ist die Nina. Du, wenn das Gespräch abbricht, hier gibts Funklöcher — ich hab das Kursprogramm für Auffahrt geändert. Hi, hast du mein Whatsapp, äh, SMS, nein, Email-Reminder gekriegt? Also wenn es dich nicht stört, dass es mich immer wieder raushaut, dann ziehen wir das durch. Ist ja für dich ärgerlich. Ok, ja. Ja. Also nochmal, duplizieren kann ich ja, nur. Ja. Ja. Ok. Hm. Jetzt musst du die drei letzten Sätze wiederholen, ich habe dich gerade nicht mehr gehört. Hihi. Also den Zeitraum Pfingsten, oder oder vielmehr Auffahrt. Hm. Hi, also der Chris hat den Zeitraum Auffahrt erstellt, aber er zeigt ihn nicht an. Der soll stattfinden. Auffahrt gegeben, ja ja. Verehrte Reisende — in Kürze erreichen wie Horb. Alle Anschlüsse werden erreicht. Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung links. Hast du gesehen den Eintrag. Ja du, ich bins. Sag mal, ist das nadelnde Geräusch normal? Aber ich sehs nicht auf der Webseite! Dacht ich mir. Ich wollt es bloss sagen. Ja. 3099. Jaa. Ja, um wieviel? Bis viertel vor zehn. Ja, Master klein nullachtfünfzehn. Yes. Genau. Genau! Also einfach in Aborn und du siehst es ja dann. Du kannst mir auch gerne ein Whatsapp schicken. Super! Danke dir. Tschau! Entschuldigung, hält der Zug auch in Walldorf? Das weiss ich nicht, ich fahr nur bis Stuttgart. Das Zugteam begrüsst die zugestiegenen Fahrgäste des Intercitys Richtung Stuttgart, Heidelberg, Frankfurt und wünscht ihnen eine angenehme Reise. Entschuldigung, den Platz habe ich reserviert. Ja, bis er eingenommen wird. Ist da noch was frei? Jemand zugestiegen? Fahrkarten bitte. Jemand zu-ge-stiegen, Fahrkarten bitte. Ja vielleicht d gross. Ich hab dich grad nicht gehört. Auh. Oh ja. Hallo? Hallo? Ha-llooo! Ja. Ich hör dich grad net. Ja. Ja. Nee. Nee, ich glaub nicht. Hallo? Ja. Ich habs eingegeben, aber seh es nicht auf der Webpage. Wenn ein Kurs um 13 Uhr beginnt, werden dann alle anderen auf inaktiv gestellt? Hallo? Ha-llo? Nächster Halt Böblingen. Verehrte Reisende, sie werden in Böblingen alle Anschlüsse erreichen. Vielen Dank für das Fahren mit der Deutschen Bahn, der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung links. Dear passengers. Hallo? Hallo! And wishes you a pleasent journey.
Okkasion
Charascho!
Maifeier
Der Musik-Gottesdienst im Offenen St. Jakob stand ganz im Zeichen von Freiheit, Widerstand und Anarchie. Derweil der musikalische Spannungsboten von „Die Gedanken sind frei“ über „Bella Ciao“ bis zur „Internationale“ führte, las der selbstbewusste Pfarrer der selbstoptimierten Leistungsgesellschaft leidenschaftlich die Leviten, da jene offensichtlich und vordergründig völlig entspannt die permanente Auto-Ausbeutung propagiere und durchsetze. Ein klares (äusseres) Feindbild gehe bei diesem subversiven Mechanismus völlig abhanden und bei Auflehnung kehre sich die Energie destruktiv nach innen und generiere die zeitgenössische Depression, den Burn-Out.
Als Gegenentwurf wurde ein herrschaftsloser Zustand der Anarchie skizziert, sowieso eingeschränkter Konsum und mehr Mut zur Freizeit. Selbst bei der Kollekte betonte der Vortragende, dass es vermutlich besser sei einfach einem Bedürftigen auf der Strasse das Geld in die Hand zu drücken, als damit den Opferstock zu füttern. Die kleine Gemeinde war durchwegs beeindruckt von dieser Maifeier und der Hobbyschweizer trällerte zum Feierabend noch fröhlich den Refrain von Solidaritätslied…