Blasensprung

Nach dem Abendessen dann der Blasensprung. Lachende Hysterie der Mutter, kopflos benommen der Vater. Dann nach der ersten Schrecksekunde – (ist es wirklich schon so spät? Schliesslich ist es eine Woche VOR Termin) – zunächst das Telefonieren mit der Hebamme und dann das Packen der Siebensachen für die Reise in eine aufregend neue Welt.

Schurkenstaat

In den Eidgenössischen Medien köchelten die Wellen mächtig hoch aufgrund von Äußerungen des bundesdeutschen Finanzministers, welcher die „Steueroase Schweiz“ an den Pranger gestellt wissen möchte.

Steinbrück hatte auf einer OECD-Konferenz in Paris dafür plädiert, die Schweiz auf die Schwarze Liste jener Länder zu setzen, die Steuerbetrug förderten. Laut dieser Liste würde sich die Achse der fiskalischen Bösen von Andorra, Monaco und Liechtenstein um eben die Eidgenossenschaft erweitern. Steinbrück drohte undiplomatisch: „Wir müssen nicht nur das Zuckerbrot benutzen, sondern auch die Peitsche.“ Der deutsche Botschafter wurde daraufhin ins Außenministerium in Bern einbestellt, um das Missfallen der Schweizer Regierung über Steinbrücks Äußerungen deutlich zu machen.

Im hiesigen Fernsehen wurden zwei deutschstämmige Einwanderer vorgeführt, die gerade Kurse für Schwyzerdütsch besuchten (!) und Aussagen machten, mit denen sie der vom großen Kanton gerade etwas lädierten Schweizer Volksseele anerkennend beistanden. Gelungene Propaganda: Deutsche Arbeitsflüchtlinge kritisieren die hohen Steuern in ihrem Heimatland, stellen die Bundesrepublik gar als Steuer-Gefängnis dar und lobpreisen das steuerliche Paradies in der gastlichen Konföderation.

Im selben Beitrag prophezeite die Schweizer Außenministerin die Verstärkung antideutscher Ressentiments. Dass der Deutsche allzu gerne seine bisweilen unverschämt großen Klappe aufreisst, wird hier eben überhaupt nicht gerne gehört und das Wort von der „Peitsche“ als Bedrohung der Souveränität aufgenommen.

Andererseits scheint man in der Schweiz die Folgen globaler fiskalischer Interaktion weiterhin ungeniert für sich zu nutzen wollen. Aufgrund der exklusiven Insellage erzeugt man einen gewissen monetären Unterdruck, durch welchen ein steter Kapitalzufluss von außen gewährleistet wird. Die geschickt ausgeübte Neutralitätspolitik der Schweiz unterstützt dies in passender Weise administrativ. Dass dadurch die steuerliche Belastung der Eidgenossen im internationalen Vergleich eher gemindert wird scheint mir auf der Hand zu liegen, denn wenn trotz niedriger Steuerbelastung zwei, drei Millionarios in einer Gemeinde gemeldet sind, profitieren eben alle davon. Und hierzulande gibt es eine richtiggehende  Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Kantonen um die ertragreichsten Kühe – der Nachbarkanton bietet einfach einen niederen Steuersatz an und schon zieht das Kapital eben dorthin um. Die wirklich fette Kühe schliesslich bezahlen den Steuersatz erst gar nicht, sondern einigen sich auf pauschale Zahlungen.

Die Lobbyisten vom Forum Finanzplatz Schweiz machen deutlich: „Der Schweizer Finanzplatz ist aufgrund seiner Wirtschaftskraft von herausragender Bedeutung für unsere Volkswirtschaft. Es ist wichtig, dass der Schweizer Finanzplatz auch in Zukunft stark und leistungsfähig bleibt. Die Voraussetzung dafür sind gute Rahmenbedingungen – dazu gehört auch der Schutz der Privatsphäre.“

Aus einem Klassiker (aber nicht VOM Klassiker selbst):

„Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.“

T. J. Dunning zitiert von Karl Marx in Das Kapital Bd. 1 S. 788, MEW 23, Berlin 1962

Manche meinen ja, das Kapital sei ein scheues Reh und ein geiler Bock. Ich sage: auch das Reh kommt in den Topf.

Die lustige Jagdgesellschaft

traf sich in einem werkstattmässigen Atelier in unmittelbarer Nähe von Bahngleisen und Zügen in einem Zürcher Industriegebiet. Der Festsaal selbst war ausgestattet mit dezent geschmückten Biertischen und die anbeigestellten Bänke besetzten um die 40 munter angeregte Gäste. Aus den Lautsprechern erquoll diverse Jagd- und Marschmusik, welche durch unregelmässigen Büchsenknall akzentuiert wurde. Denn direkt neben dem Speisesaal befand sich ein selbstgezimmerter Hochstand- bzw. sitz, von welchem aus das Schiessen auf die laufende Scheibe mit Kleinkalibergewehren ausgeübt werden konnte. An einer Wand hingen buntscheckig gemusterte Wildkatzenfelle, irgendwo stand ein ausgestopftes Murmeltier herum und das Personal an der Essensausgabe war zudem recht waidmännisch getrachtet.
Diese skurrile Atmosphäre mit leicht folkloristischer Färbung in einer eher technisch ausgerichteten Umgebung wirkte angenehm selbstironisch und bot zugleich der offensichtlich anwesenden Begeisterung für Schweizer Brauchtum im Herbst eine dezent inszenierte Bühne.
Ein gelungener lukullischer Kunschtgenuss, zumal sich das dargebotene Wild – bestehend aus Gämse und Murmeltier, während einer ganzen Woche in Geheimlake gebeizt und anschliessend deftig lecker zubereitet – mit Rotkohl, Spätzle und Maronen allerherbstlich vertrug. Den glorreichen Abschluss bildete zuckergepudeter Schokoladenkuchen.
Die Schützen auf dem Schiesstand durften sich einen Jägerkleister kippen sobald sie das Murmeli, die am schwersten zu treffende Scheibe umlegten und mir wurde staunend bewusst: der Schweizer schiesst recht zielstrebig!

So wie die Gams gerade in mir murmelt hätte ich und sie den ein oder andren Schnaps ebenfalls gut vertragen können. Wahrscheinlich hätte ich mir dann aber ins Bein geschossen.