Budgetkult

Executive Summary*

Im Jahr 1996 lancierte die Migros mit M-Budget eine Eigenmarke der tiefsten Preiskategorie. Die Einführung dieser Billiglinie war mit dem Ziel verbunden, die eigene Wettbewerbsposition im Discount-Bereich zu stärken und damit eine Abwanderung der preissensiblen Kundschaft zur zunehmenden Konkurrenz zu verhindern. Gleichzeitig sollten die Grossfamilien und die weniger kaufkräftigen Haushalte finanziell entlastet werden. Dadurch, dass einzelne Produkte von M-Budget in den Qualitätstests von Kassensturz und K-Tipp immer wieder gute Ergebnisse erzielten, oder die Konsumenten selbst positive Erfahrungen mit M-Budget machten, wurden die Produkte immer häufiger auch von anderen Schichten gekauft und bald in der ganzen Bevölkerung beliebt. Eine eigentliche Zielgruppe existiert deshalb heute nicht mehr. M-Budget wurde mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis verbunden und als eine Marke wahrgenommen, die bewusst auf ein aufwändiges Design und eine teure Warenpräsentation verzichtet, um trotz tiefer Preise eine angemessene Qualität anbieten zu können. Als das M-Budget-Sortiment ab Ende 2003 erstmals um einzelne Gebrauchsartikel erweitert wurde, die nur in limitierter Auflage erhältlich waren, brach, vor allem unter den Jugendlichen, eine regelrechte M-Budget-Euphorie aus. Die Migros begriff schnell, dass diese Artikel besonders bei den Jugendlichen gut ankommen und richtete die Sortimentserweiterungen deshalb gezielt auf diese Gruppe aus.

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Neben einem Snowboard, einem Skateboard oder einem Prepaid-Angebot für Handys, wurde eine Party-Serie gestartet, die über mehrere Jahre in allen grösseren Schweizer Städten Halt machte. Gleichzeitig brachte die Migros das Wort Kult in Umlauf und nutzte den Hype unter den Jugendlichen aus, um M-Budget als Kultmarke zu verkaufen und diesen Begriff zu verbreiten. Dazu wurde im Internet ein M-Budget „Kultshop“ eingerichtet, in welchem es Kleidung und Accessoires im M-Budget-Design und zu M-Budget-Preisen zu erwerben gab. M-Budget wurde schnell in der ganzen Schweiz als Kultmarke anerkannt und auch in den Medien wurde dieser Begriff im Zusammenhang mit M-Budget oft verwendet. Dabei schien sich niemand ernsthaft Gedanken zu machen, woher dieser Begriff kam und was er überhaupt bedeutet.

Laut Definition wird Kult als die Verehrung einer Gottheit angesehen und die damit verbundenen spirituellen Handlungen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Nach heutigem Verständnis und auf die Markenwelt angewendet nimmt der Begriff eine etwas andere Bedeutung ein. Demnach muss eine Marke, die einen Kultstatus erreichen will, über eine klare Identität und Persönlichkeit verfügen, eine eindeutige Einstellung repräsentieren, also Ausdruck eines bestimmten Lebensstils sein, und in der Wahrnehmung einer bestimmten Gruppierung dauerhaft eine Sonderstellung einnehmen. Dazu braucht es neben einer überzeugenden Qualität und einer klaren Positionierung auch immer eine gewisse Kreativität. Die Marke muss sich also mit etwas Ungewöhnlichem von der Konkurrenz abheben. Oftmals steht dabei eine Ästhetik im Vordergrund, die mit den gesellschaftlichen Normen kollidiert und nur eine subkulturelle Gruppe anspricht. Wichtig ist auch ein über viele Jahre oder sogar Generationen beständiger und einheitlicher Auftritt, denn nur eine Marke, die eine aussergewöhnliche Idee langfristig erfolgreich umsetzt, kann eines Tages einen Kultstatus erlangen.

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Die Migros hat die zunehmende Preisorientierung der Konsumenten Ende der 90er Jahre frühzeitig erkannt und mit der Lancierung von M-Budget ein Zeichen gesetzt. Durch den grossen Sparcharakter konnte M-Budget viele Sympathien gewinnen. M-Budget ist in der ganzen Schweiz bekannt und verfügt über eine angemessene Qualität. Das Image von M-Budget in der Öffentlichkeit ist grösstenteils positiv. Darüber hinaus verfügt die Marke über eine klare Persönlichkeit und konnte in der Vergangenheit immer wieder mit der kreativen Umsetzung ihrer Idee punkten. Das spezielle Design von M-Budget hebt sich zudem deutlich von Konkurrenzprodukten ab, beinhaltet eine gewisse Selbstironie und wird von der breiten Masse eher als unästhetisch wahrgenommen. Darüber hinaus könnten die M-Budget-Parties durchaus als Kultrituale, Verehrung und Pflege der Marke an gesehen werden. Die Grundvoraussetzungen zur Erreichung von Kultstatus wären bei M-Budget also durchaus gegeben.

Wurden während dem M-Budget-Hype die Jugendlichen, die die Marke oftmals regelrecht gelebt haben, als Hauptzielgruppe und mögliche Kultanhängerschaft in den Mittelpunkt gerückt, ist M-Budget inzwischen auch bei dieser Gruppe zum Alltag geworden, da die Überraschungseffekte seitens der Marke ausblieben und einige Konkurrenzanbieter mit zu ähnlichen Konzepten in den Markt drängten. Zudem wurde das Sortiment mit aktuell 652 Produkten zu unübersichtlich, wodurch die Marke ihren speziellen Reiz verlor. Die Sonderstellung von M-Budget in den Köpfen der Jugendlichen verschwand und die Kernzielgruppe als dauerhafte Pfleger und Verehrer der Marke löste sich auf. Heute wird die Marke zwar immer noch von grossen Teilen der Bevölkerung geschätzt, doch nimmt M-Budget längst keine herausragende Stellung mehr ein, wird weder verehrt, noch als aussergewöhnlich empfunden, da zu viele vergleichbare Angebote existieren. Der Marke M-Budget kann deshalb kein Kultstatus zugeschrieben werden.

* Marketing Analyse am Institut für BWL der Universität Zürich

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