Prinzipiell versus Principality

Umsturz im Ländle?
Probleme fürs Fürstentum?
Erbmonarchie in Gefahr?
Scheint fast so.

Die angebliche Gründung einer Liechtensteiner Kommunistischen Partei wird von einem sog. Aktionsbündnis unterstützt, deren punkige Provokation im Netz der Dumpfbacken wiederum mit dem schlichten Wunsch nach «Todesstrof» goutiert wird. Putzig das.

Zusammenfassende Einfassung

Der vorliegende Text wurde im Rahmen eines Kapital-Lektürekurs am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin bereits Mitte der neunziger Jahre verfasst. Hier erscheint er nur leicht redigiert als insgesamt eintausendster Beitrag.

Karl Marx: Das Kapital
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Die „Kritik der politischen Ökonomie“ schrieb Marx zum einen als Kritik an den zu seiner Zeit vorherrschenden ökonomischen Lehren, welche ihm theoretisch unvollständig sowie nicht radikal genug erschienen, zum anderen als Kritik der vorherrschenden gesellschaftlichen Beziehungen überhaupt. Nicht radikal meint hier, dass sie die grundsätzliche Bedeutung der ökonomischen Verhältnisse und deren Entwicklung in einer Gesellschaft kaum oder gar nicht berücksichtigten. Marx jedoch wies nach, dass der Kapitalismus immanente Widersprüche hervorbringt, und die kapitalistische Produktionsweise ein bestimmtes Stadium gesellschaftlicher Entwicklung im Laufe der Geschichte darstellt. Den Hauptwiderspruch im real existierenden Kapitalismus sah Marx darin, dass einerseits die gesellschaftliche Produktion, andererseits der Privatbesitz an den Produktionsmitteln (inklusive privat-kapitalistischer Aneignung des Produkts) sich gegenüberstehen. Dieser immanente Antagonismus – auf immer höherer Stufe reproduziert – drängt aber zur Auflösung.

Ein weiterer Ansatzpunkt der Marxschen Kritik geht aus von der erkenntnistheoretischen Prämisse (historischer Materialismus), dass das gesellschaftliche Sein das gesellschaftliche wie das individuelles Bewusstsein bestimmt[1]. Basis und Überbau sind hier zentrale Begriffe. Nach Marx bildet die ökonomische Struktur das Fundament der Gesellschaft, auf der sich dann allmählich der Staat[2] als Überbau mit allen Säulen wie Justiz, Armee, Kirche usw. erhebt. Die Beziehung zwischen Basis und Überbau ist korrelativ, gegenseitige, wechselseitige Beeinflussung[3]. Allerdings geht die Entwicklung der Basis nicht parallel vonstatten mit der des Überbaus und führt zwangsläufig zu Spannungen.

In seinem Hauptwerk DAS KAPITAL legt Marx ausführlich dar, wie der Kapitalismus die Verhältnisse von Personen zueinander immer mehr durchdringt und bestimmt. Dies führt über eine Subjekt-Objekt-Umkehrung (Entfremdung) hin zu einer Mystifikation des Warencharakters, zur Bildung des Waren-, Geld- und Kapitalfetisches. Der Hauptwiderspruch im Kapitalismus führt zu einer Bildung von sozialen Klassen in Form von Kapital und Lohnarbeit, zu der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Im „Kommunistischen Manifest“ von 1848 erklären Marx und Engels:

Die Geschichte aller Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. (…) Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei grosse feindliche Lager, in zwei grosse, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.

Die Marxsche Analyse betrachtet die ökonomischen Kategorien zunächst abstrakt und führt dann zur Sicht der Dinge so wie sie an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheinen (Wesen und Erscheinung). Das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten ist für diese Untersuchung typisch. Die von Marx verwandte Methode der Dialektik wird von Engels charakterisiert als „…die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens.“ Für Engels besteht die Dialektik aus folgenden Grundgesetzen:

  • Einheit und Kampf der Gegensätze, der Widerspruch als treibende Kraft der Entwicklung
  • Umschlag von Quantität in Qualität, d. h. es kommt zu dialektischen Sprüngen in eine neue Qualität (und umgekehrt)
  • Negation der Negation, d. h. dass jede langfristige Entwicklung dadurch gekennzeichnet ist, dass an einem bestimmten Punkt ein bestehender Zustand aufgehoben (negiert) wird, die anschliessende Entwicklung sich in der neuen veränderten Richtung vollzieht, bis es erneut zu einer Aufhebung, dann allerdings auf einer höherer Stufe kommt (F. Engels: Anti-Dühring, MEW 20, S. 131f)

Tauschverhältnis

Aufgrund der in das Auge förmlich springenden „ungeheuren Warensammlung“, welche den Reichtum einer Gesellschaft mit kapitalistischer Produktionsweise kennzeichnet, beginnt die Untersuchung von Marx mit der Analyse der „Elementarform“, nämlich der einzelnen Ware. Hierbei werden nun zwei Aspekte augenscheinlich: Zum einen ist jede Ware einem bestimmten Zweck dienlich (Konsumtion), besitzt einen anerkannten Gebrauchswert, zum anderen besteht ein Verhältnis zur übrigen Warenwelt, welches sich im Austausch offenbart. Dieses Verhältnis ist durch Tauschverhältnisse bestimmt, die auf dem Wert (der gemeinsamen Substanz) der Waren, ausgedrückt im Tauschwert, beruhen. Allgemeine Warenproduktion entsteht unter der Voraussetzung der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit und selbstständigen und voneinander unabhängigen Privatarbeiten. Hieraus resultiert der Grundwiderspruch aller Warenproduktion, dass sich nämlich die Privatarbeit als gesellschaftliche Arbeit darstellen muss. Die kapitalistische Warenproduktion ist auf den potentiellen Austausch ausgerichtet, die Produktion ist markt- bzw. tauschwertorientiert. Was sich tauschen lässt wird hergestellt, ob für eine Ware Bedarf besteht interessiert zunächst nicht. Jede Ware muss sich andererseits darstellen als das Doppelte, eben Gebrauchswert zu sein und einen gesellschaftlich anerkannten Tauschwert zu besitzen. Dieser Spagat wird im Kapitalismus zunehmend durch Bedürfniserweckung mittels Werbung erreicht.

Doppelcharakter

Der Doppelcharakter der menschlichen Arbeit[4] ist für den Doppelcharakter der Ware ursächlich. Jede Arbeit wird in besonderer, zweckdienlicher Weise verausgabt, schafft so Gebrauchswert. Marx nennt diese Arbeit konkret nützliche Arbeit. Der Wert wird durch die abstrakt menschliche Arbeit gebildet. In einer Gesellschaft mit Arbeitsteilung ergibt sich die Forderung nach Vergleichbarkeit der verschiedenen Arbeiten. Quantitativ lassen sich Waren durch die für die jeweilige Produktion erforderliche Arbeitszeit messen. Hierbei dient die im gesellschaftlichen Massstab durchschnittlich notwendige Arbeitszeit für die Fertigung einer gegebenen Ware als ’Messlatte’, bzw. nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit geht in die Wertbestimmung ein. Doch nur auf dem Markt, in der Sphäre der Zirkulation erweist sich letztendlich, ob der Wert auch realisiert werden kann. Wird eine Ware nicht verkauft, folglich deren Wert nicht realisiert, erweist sich die für die Herstellung der Ware verausgabte Arbeit als überflüssig verausgabt. Aufgrund dieser quasi nachträglichen Wertbestimmung ist die eigentlich planlose kapitalistische Produktion anarchisch.

Geldfetisch

Die Anforderungen expandierenden Handels machen die Geldform, bzw. die allgemeine Äquivalentform unvermeidlich. Um den Wert einer Ware mit der übrigen Warenwelt zu vergleichen, müssen sich alle Waren in einer einzigen Ware messen lassen. Die dafür als Wertmass fungierende Ware muss Ware sein, um anderen Waren eine Wertgestalt geben zu können. Geld[5], bzw. früher eben Gold, ist Ware. Beim heutigen Geld ist der Gebrauchswert Geld zu sein eher ideell, der Tauschwert dagegen sehr reell, in klingender Münze vorhanden.
Der Austausch von Waren wird dadurch eingeleitet, indem sich eine Ware mit einer anderen auf dem Markt misst. Der Wert einer Ware ist im Gebrauchswert einer anderen ausgedrückt. Hierbei wird ein fundamentaler Widerspruch, der zugleich eine dialektische Einheit bildet, offensichtlich. Tauschwert erscheint als Gebrauchswert, Gebrauchswert als Tauschwert, der Kaufakt ist gleichzeitig Verkaufsakt und umgekehrt. Beim einfachen Warentausch W-G-W, Ware – Geld – Ware, wird Ware gegen Ware getauscht. Geld dient dabei lediglich als Vermittler des Austauschprozesses. Unzählige G-W-Prozesse sind mit diesem Grundmodell ökonomischer Beziehungen verknüpft. Die Bewegung G-W-G, Geld – Ware – Geld, ist charakteristisch für den Kapitalismus. Geld wird hier vorgeschossen, um es nach dem Austauschprozess wieder in Händen zu halten, möglichst mit Gewinn, mit Mehrwert. Während es im ersten Prozess W-G-W um den Gebrauchswert geht, interessiert im G-W-G Modell der Wert bzw. dessen Verwertung. Durch blossen Austausch kann allerdings kein Mehrwert erzielt werden. Zwar kann die Ware höher ausgepreist werden als ihr tatsächlicher Wert darstellt, doch werden es die anderen Austauscher mit ihren Waren bald ebenso machen. Gesellschaftlich betrachtet wird alles teurer, kein Mehrwert ist vorhanden. Die bürgerliche Mystifikation der Zirkulationssphäre (zu einer ’Gewinnzone’) ist bloss gestellt: der Mehrwert wird in der Sphäre der Produktion – mittels der Konsumtion der Arbeit durch den Kapitalisten über die für die Reproduktion der Arbeitskraft des Arbeiters notwendige Arbeitszeit hinaus – vom Arbeiter geschaffen. Über den ’Umweg’ Produktion ist es möglich, dass der Geldgeber mehr Geld aus der Zirkulation herauszieht, als er ursprünglich investierte.
Dass die Menschen genötigt sind ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen, hat als Ursache die doppelte Freiheit: frei von Produktionsmitteln, sowie freie Verfügung über sich selbst (im Gegensatz zum Sklaven oder Leibeigenen). Dafür verantwortlich ist die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, welche die historische Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln schuf. Erst diese „Freiheiten“ machten es möglich, dass die Arbeitskraft als Ware auf dem Markt angeboten werden muss, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Als Lohnarbeiter vermietet der Arbeiter seine Arbeitskraft an den Geldbesitzer. Dieser lässt die „geleaste“ Arbeitskraft die erworbenen Produktionsmittel unter seiner Kontrolle produktiv bearbeiten und eignet sich schliesslich das Produkt an, um einen Profit auf dem Markt zu erzielen.

Mehrwert

Der spezifische Gebrauchswert der menschlichen Arbeitskraft ist die Arbeit selbst (wertbildend). Ihr Tauschwert ist bestimmt durch den Warenwert, welcher für ihre Erhaltung erforderlich ist. Dem Wert der Arbeitskraft entspricht also das Äquivalent der zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel. Nun kann die Arbeit aber täglich mehr Wert schaffen, als für deren Erhaltung nötig ist. Mit steigender Produktivität sinkt die notwendige Arbeitszeit, die Mehrarbeitszeit nimmt zu. Wenn der Arbeiter für einen Tag seine Arbeitskraft verkauft hat, er in einem halben Tag seine Erhaltungskosten erarbeitet hat, so kann er deshalb noch lange nicht nach Hause gehen, da dies eine Verletzung der vertraglichen Abmachung mit dem Kapital bedeuten würde. Das Kapital hat schliesslich grösstes Interesse an unbezahlter Mehrarbeit, denn nur die schafft den erwünschten Mehrwert.

Durch legalen und freien ’Tausch’ von Äquivalenten in der Zirkulationsspäre kommt das Kapital zu Produktionsmitteln und Arbeitskraft. Der darauf folgende Produktionsprozess ist sowohl Arbeitsprozess (qualitative Seite GW) und Wertbildungsprozess (quantitative Seite TW). Wird die Arbeitskraft über den Punkt der äquivalenten Wertbildung hinaus verwertet wird der Wertbildungsprozess zum Verwertungsprozess: Mehrwert produziert. Anschliessend wird das neue Produkt inklusive des in ihm steckenden Mehrwerts in der Zirkulation in Geld zurück verwandelt.

Zirkulation:

G-W (Kauf der Produktionsmittel und Arbeitskraft)

Produktion:

W…P…W’ (Wertbildungs- und Verwertungsprozess)

Zirkulation:

W’-G+g (Wert- und Mehrwertrealisation (Verkauf))

Der Mehrwert entsteht somit ohne Verletzung des Wertgesetzes ausschliesslich in der Produktion, und zwar durch Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital. Niemanden kann an dieser Stelle ein Vorwurf gemacht werden, weder dem Kapitaleigner noch dem Arbeiter. Ein jeder tut das, was von ihm erwartet wird. Der Kapitalist macht Gewinn, der Arbeiter erarbeitet diesen. Dies darf natürlich den Blick auf die bestehenden Produktionsverhältnisse keineswegs verschleiern. Schein und Sein sind zu differenzieren. Was als ’Freiheit’ erscheint, ist real eine Unfreiheit, Abhängigkeit des Lohnsklaven vom Kapital. Marx spricht in diesem Zusammenhang von „unsichtbaren Fäden“, an denen die Lohnarbeiter an das Kapital gebunden sind.[6]

Produktivkraftsteigerung = Mehrwertsteigerung

Der Heisshunger des Kapitals nach Mehrwert (als sich selbst verwertender Wert), führt zunächst zu einer masslosen Verlängerung des Arbeitstages.Mehrwert Dem sind jedoch Grenzen gesetzt: die physische sowie die moralische. Kein Arbeiter kann täglich mehr als 24 Stunden arbeiten. Ausserdem hat er soziale und geistige Bedürfnisse, welche von den vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmt sind. Dennoch erstrebt das Kapital, den Arbeitstag so profitabel wie möglich zu nutzen. Das unbedingte Trachten nach Mehrwert, hier absoluter Mehrwert, treibt zu einer Verlängerung des Arbeitstages. MehrwertSobald die Arbeiter (Gewerkschaften) die Einführung eines gesetzlichen Normalarbeitstages erkämpften, widmete sich das Kapital der zweiten Form der Mehrwertproduktion, der Bildung von relativen Mehrwert. Dies geschieht durch Verkürzung der bezahlten notwendigen Arbeitszeit zugunsten der Mehrarbeitszeit innerhalb der Schranken des Arbeitstages. Eine permanente Produktivkraftsteigerung ist bis heute durch diese Mehrwert-Sucht zu konstatieren: jede technische Neuerung wird sofort produktiv eingesetzt und treibt (Gesetz der Konkurrenz!) zu weiterer Entwicklung des technologischen Standards an.

Indem zuerst die Arbeitsteilung in der Kooperation, dann Manufakturen und schliesslich die grosse Industrie mit ihrem gewaltigem Maschineneinsatz den Produktionsprozess revolutionieren, gelingt es dem Kapital, dass durch gesteigerte Produktivität die notwendige bezahlte Arbeitszeit sich immer weiter verringert, die Mehrarbeitszeit proportional dazu steigt. Neue Technik sorgt für einen zusätzlichen Produktivitätsschub, so in der fortschreitenden Automation (Mikroelektronik, Industrieroboter), welche als die 4. Stufe der Produktivkraftentwicklung bezeichnet werden kann.

Marx bezeichnet das konstante Kapital ’c’ als das in Werkstätten, Arbeitsgeräten und Arbeitsmitteln angelegte Kapital. Konstant, weil es sich nicht selbst verwertet und sein Wert in aliquoten Teilen von der konkreten Arbeit auf das Produkt übertragen wird. Der variable Kapitalteil ’v’ besteht aus dem Reproduktionsfond der Lohnarbeiter, bzw. der bezahlten Arbeit. In der Form des Arbeitslohnes erscheint die ganze Arbeitszeit als bezahlt. Eine weitere Mystifikation, da die Arbeiter ausser der bezahlten eben auch unbezahlte (Mehr-) Arbeit leisten. Mit ’m’ ist der Mehrwert benannt, dessen Rate sich aus m/v bzw. aus dem Verhältnis von Mehrarbeitszeit zur notwendigen Arbeitszeit ergibt. Marx nennt diese Rate auch den „Exploitationsgrad“ der Arbeiter durch das Kapital. Unter Produktenwert versteht Marx c+v+m. Mit Neuwert oder Wertprodukt v+m. Die Profitrate p berechnet sich wie folgt:

Da sich die technische Zusammensetzung des Kapitals (hier c) permanent erhöht, muss die Profitrate also fallen; das Gesetz der tendenziellen Falls der Profitrate führt zu einem Zielkonflikt: Arbeitsproduktivität wird am stärksten dadurch gesteigert, dass ein immer grösserer Teil des verfügbaren Kapitals in Form von konstantem Kapital c, ein immer geringerer Teil in Form von variablem Kapital v investiert wird.

Reproduktion — auch der Verhältnisse

Produktion erfordert Reproduktion: die verbrauchten Produktionsmittel sowie die Arbeitskraft müssen fortwährend ersetzt werden. Infolgedessen ist der Produktionsprozess des Kapitals zugleich dessen Reproduktionsprozess. Reproduktion von Kapital auf gleicher Stufe (einfache Reproduktion) erfolgt bei Beibehaltung des Produktionsfeldes abzüglich des Konsumtionsfonds des Kapitalisten. Die individuelle Reproduktion der Arbeiter erscheint als ein Moment der Reproduktion des Kapitals, da die notwendigen Waren lediglich zur Erhaltung der Ware Arbeitskraft für das Kapital ausreichen und zudem bei der Kapitalistenklasse erworben werden müssen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden so fortwährend reproduziert.[7]
Typisch für den Kapitalismus ist die erweiterte Reproduktion: Wiederholung des Produktionsprozesses auf jeweils höherer Stufe, Einsatz zusätzlicher und besserer Produktionsmittel, Bereitstellung zusätzlicher Konsumtionsmittel. Die Ausdehnung der Produktion erfolgt extensiv wie intensiv. Erweiterte Reproduktion bzw. Akkumulation von Kapital ist also die Verwandlung des Mehrwertes in zuschüssiges Kapital abzüglich des Konsumtionsfonds des Kapitalisten; ein Teil des Mehrprodukts dient der Erweiterung der Produktion (Konkurrenzdruck), das Kapital akkumuliert. Mehr Kapital, mehr Ausbeutung, mehr Mehrwert usw. Auf der Seite der Lohnarbeiter dagegen akkumuliert das Elend. Infolge der permanenten Akkumulation schlägt das Aneignungsgesetz der einfachen Warenproduktion (Aneignung fremder Arbeit nur durch eigene Arbeit) um in das Gesetz der kapitalistischen Aneignung. Ungleicher (nicht äquivalenter) Tausch ist das absolute Merkmal des Kapitalismus und die unentgeltliche Aneignung von Mehrarbeit bürgerliches Recht. Getauscht wird nur zum Schein, da das variable Kapital vom Arbeiter zuvor selbst produziert wurde, und mit neuerlicher Arbeit inklusive Mehrarbeit ersetzt werden muss.[8]

Globalisierung durch permanente Akkumulation

Fortschreitende Akkumulation führt zu Zentralisation von Kapital, d. h. die Zusammenfassung bzw. Konzentration von verschiedenen einzelnen Kapitalen zu Grosskapital (Aktiengesellschaften, Monopolbildung) mit immanenter Rückwirkung auf die Produktivkraftentfaltung. Das proportionelle Verhältnis zwischen den im Produktions- und Reproduktionsprozess notwendigen Produktionsmitteln und Arbeitskräften ist die technische Zusammensetzung des Kapitals. Sie ist abhängig vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte und -techniken und dem Angebot an Arbeitskraft: harmonieren die Proportionen nicht, kommt es zu Stockungen der Produktion. Die Kapitalakkumulation erhöht die Wertzusammensetzung, die organische Zusammensetzung des Kapitals. Die Steigerung des konstanten Kapitalteils geht infolge des permanenten technischen Fortschritts als auch der Zwangsgesetze der kapitalistischen Konkurrenz in ungleich grösserem Ausmass vor sich als die des variablen Teiles. Das bedeutet, dass eine grössere Produktmenge mit gleichbleibendem Arbeitsaufwand produziert wird (Rationalisierung). Die industrielle Reservearmee ist Resultat und Voraussetzung. Marx spricht in diesem Zusammenhang von einer relativen Überbevölkerung (Massenarbeitslosigkeit).

Festzuhalten bleibt, dass sich das Kapital nicht auf wirtschaftliche Kategorien beschränken lässt. Es ist vielmehr ein gesellschaftliches Verhältnis[9], welches zwischen den Menschen steht, sie verbindet und trennt. Als geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation erkennt Marx die Aufhebung der Trennung zwischen Produzenten und Produktionsmitteln und damit die Negation der kapitalistischen Produktionsweise.[10]

Historische Akkumulation

Die ursprüngliche Akkumulation sorgte durch staatlich sanktionierten Landraub für die gewaltsame Trennung der Bauern als Produzenten vom Boden als früher wichtigstem Produktionsmittel sowie die Abschaffung der feudalen Bindungen (doppelt freie Lohnarbeiter). Die vormals selbst produzierten Nahrungsmittel mussten nun beim Kapitalisten durch Verkauf der Arbeitskraft (Lohnarbeit) erworben werden. Gleichzeitig übten die vermehrt auftretenden kapitalistischen Kooperationen v. a. in Form der Manufaktur enormen wirtschaftlichen Druck auf kleine Handwerker aus. Für viele marxistische Theoretiker bleibt die ursprüngliche Akkumulation auch heute noch der ’Anlasser’ des Kapitalismus. Die Aneignung unbezahlter Nicht-Lohnarbeit (weibliche Reproduktionsarbeit) sowie der Kapitalzufluss aus der sogenannten Schattenwirtschaft, halten die Akkumulationszentrifuge am Laufen, während sie ohne parallele ursprüngliche Akkumulation längst ’überakkumuliert’ wäre. Fortwährende ursprüngliche Akkumulation ist noch heute im Trikont zu beobachten.

Das ursprüngliche Kapital stammt aus dem Handels-, Wucher- und Grundkapital. Hierfür einige historische Stichpunkte:

  • Die Übergänge von der Urgesellschaft (Urkommunismus: gemeinsame Arbeit auf Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums der Produktionsmittel) hin zum Kapitalismus verlaufen über die Stationen der antiken Sklavenhaltergesellschaft, der patriarchalische Ausbeutergesellschaft (asiatische Produktionsweise) und dem Feudalismus. Diese Übergänge fanden nicht in allen Kulturen und Regionen der Erde zeitgleich bzw. aufeinanderfolgend statt. Die Entstehung der Klassengesellschaft ist vom Stand der Sklavenhaltergesellschaft aus verständlich: die Ausbeutung von Sklaven spaltete die Gesellschaft in Ausbeuter und Ausgebeutete. Ebenso erfolgte hier die Entstehung des Gegensatzes von Hand- und Kopfarbeit. Das Patriarchat förderte den Übergang von gesellschaftlichem zu privatem Eigentum an Boden, also Grundkapital. Es wurde in der weiteren Entwicklung juristisch fixiert.
  • Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist fundamental für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Möglich ist Arbeitsteilung auf der Grundlage eines Mehrproduktes (= Produkt minus notwendiges Produkt). Die erste gesellschaftliche Arbeitsteilung vollzog sich zwischen Viehzucht und Ackerbau, die zweite zwischen Ackerbau und Handwerk, die dritte schliesslich sorgte für die Herausbildung von Handelsleuten (Gegensatz zwischen Stadt und Land, Transport von Lebensmitteln, Fernhandel). Durch nicht-äquivalenten Austausch eignete sich das Handelskapital Teile des gesellschaftlichen Mehrproduktes an. Mit der Konzentration der Geldmittel entwickelte sich das Wucherkapital. Dieses eignete sich in Form von Zinsen sogar Teile des notwendigen Produktes an.
  • Grundeigentum war die absolute Basis des Feudalismus. Der Boden als wichtigstes Produktionsmittel wurde in Form von Lehen, Arbeits- und Naturalrente bis hin zur Geldrente verwertet.
  • Durch imperiale Kolonisationspolitik wurden grössere Absatzmärkte erobert. Der Handel mit exotischen Rohstoffen und Genussmitteln, Sklaven etc. nahm zu. Das Handelskapital gewann verstärkt an gesellschaftlichen Einfluss, nicht zuletzt deshalb, weil sie in immer grösserem Ausmass als Kreditgeber für die Herrschenden unentbehrlich wurden (Kriegsfinanzierung, ’Entdeckung’ Amerikas…). Konnten die Herrschenden ihre Schulden nicht mehr bezahlen, kam es zu Grundübertragungen. Geld wurde so zum wichtigsten Mittel des Bürgertums gegen den Feudalismus.
  • Die mit dem Niedergang des Feudalismus einsetzende Landflucht entzog der bäuerlichen Schicht den Boden der Subsistenzwirtschaft. Die Abhängigkeit von ’hartem’ Geld wuchs, vermehrte Schulden folgten vermehrte Zinsen. Quasi war so die alte feudale Leibeigenschaft wieder hergestellt, nur dass diesmal die freien Bürger die Herren waren (Schuldsklaverei).
  • Aufgrund der an Bedeutung gewinnenden Ware-Geld-Beziehung gegenüber der reinen Naturalwirtschaft, stiess die bürgerliche Produktionsweise an die feudalen Grenzen. Neue Produktionstechniken, verbessertes Arbeitsgerät und Entwicklung effektiverer Transportmittel trugen zu weiterer Produktivkraftentfaltung bei. Die Schaffung nationaler Märkte trat in den Vordergrund. „Egalité, Liberté und Fraternité“ waren daher die Losungen der bürgerlichen Revolutionen.

Anmerkungen:
1 „Der Materialismus in all seinen geschichtlichen Formen geht davon aus, dass die Natur, die materielle Welt, die Materie gegenüber dem Bewusstsein das Primäre, das Bestimmende ist, dass das Empfinden und Denken von der Materie hervorgebracht und bestimmt wird, also der Materie gegenüber sekundär ist. Er ist seinem Wesen nach atheistisch und eng mit dem Fortschritt der Wissenschaften verbunden. (..) Der Idealismus geht vom Primat des Bewusstseins, des Geistes, der Empfindungen gegenüber der materiellen Welt aus und erklärt die Natur, die materielle Welt, die Materie für sekundär, für ein Produkt des Geistes, des Denkens, der Empfindungen.“ (aus: Dialektischer und historischer Materialismus, Berlin 1988, S. 26f)

2 „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, welche einer Bestimmten Stufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. (…) Mit Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ (K. Marx: Vorwort Zur Kritik der polit. Ökonomie, MEW 13, S. 8f)

3 In „Die deutsche Ideologie“ schreiben Marx und Engels:“Da der Staat die Form ist, in welcher die Individuen einer herrschenden Klasse ihre gemeinsamen Interessen geltend machen und die ganze bürgerliche Gesellschaft einer Epoche sich zusammenfasst, so folgt, dass alle gemeinsamen Institutionen durch den Staat vermittelt werden, eine politische Form erhalten. Daher die Illusion, als ob das Gesetz auf dem Willen, und zwar auf dem von seiner realen Basis losgerissenen, dem freien Willen beruhe. Ebenso wird das Recht dann wieder auf das Gesetz reduziert.“ (MEW 3, S. 62)
Engels gibt in seiner Untersuchung „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ einen geschichtlichen Abriss von der Urgesellschaft bis hin zur modernen Staatsbildung. In seinem Spätwerk „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen Philosophie“ führt er weiter aus: „Im Staat stellt sich uns die erste ideologische Macht über den Menschen dar. Die Gesellschaft schafft sich ein Organ zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen gegenüber inneren und äusseren Angriffen. Dies Organ ist die Staatsgewalt. Kaum entstanden, verselbständigt sich dies Organ gegenüber der Gesellschaft, und zwar um so mehr, je mehr es Organ einer bestimmten Klasse wird, die Herrschaft dieser Klasse direkt zur Geltung bringt. (..) Der Staat aber, einmal eine selbständige Macht geworden gegenüber der Gesellschaft, erzeugt alsbald eine weitere Ideologie. (..) Weil in jedem einzelnen Falle die ökonomischen Tatsachen die Form juristischer Motive annehmen müssen, um in Gesetzesform sanktioniert zu werden, (…) deshalb soll nun die juristische Form alles sein und der ökonomische Inhalt nichts. (…) Noch höhere, d. h. noch mehr von der materiellen, ökonomischen Grundlage sich entfernende Ideologien nehmen die Form der Philosophie und der Religion an. Hier wir der Zusammenhang der Vorstellungen mit ihren materiellen Daseinsbedingungen immer verwickelter, immer mehr durch Zwischenglieder verdunkelt. (MEW 21, S. 300ff)

4„Aber die vergangene Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz verschiedne Grössen. Die erste bestimmt ihren Tauschwert, die andre bildet ihren Gebrauchswert.“ (K. Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 207f)

5„Der Geldkristall ist ein notwendiges Produkt des Austauschprozesses, worin verschiedenartige Arbeitsprodukte einander tatsächlich gleichgesetzt und daher tatsächlich in Waren verwandelt werden. Die historische Ausweitung und Vertiefung des Austausches entwickeln den in der Warennatur schlummernden Gegensatz von Gebrauchswert und Wert. Das Bedürfnis, diesen Gegensatz für den Verkehr äusserlich darzustellen, treibt zu einer selbständigen Form des Warenwerts und ruht und rastet nicht, bis sie endgültig erzielt ist durch die Verdopplung der Ware in Ware und Geld.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 101f)

6„Insofern der Mehrwert, woraus Zusatzkapital Nr. I besteht, das Resultat des Ankaufs der Arbeitskraft durch einen Teil des Originalkapitals war, ein Kauf, der den Gesetzen des Warenaustausches entsprach, und, juristisch betrachtet, nichts voraussetzt als freie Verfügung auf Seiten des Arbeiters über seine eignen Fähigkeiten, auf Seiten des Geld- oder Warenbesitzers über ihm gehörige Werte; sofern Zusatzkapital Nr. II usw. bloss Resultat von Zusatzkapital Nr. I, also Konsequenz jenes ersten Verhältnisses; sofern jede einzelne Transaktion fortwährend dem Gesetz des Warenaustausches entspricht, der Kapitalist stets die Arbeitskraft kauft, der Arbeiter sie stets verkauft, und wir wollen annehmen selbst zu ihrem wirklichen Wert, schlägt offenbar das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil um. Der Austausch von Äquivalenten, der als die ursprüngliche Operation erschien, hat sich so gedreht, dass nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Äquivalent angeeigneten fremden Arbeitsproduktes ist und zweitens von seinem Produzenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Surplus ersetzt werden muß. Das Verhältnis des Austausches zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also nur ein dem Zirkulationsprozess angehöriger Schein, bloße Form, die dem Inhalt selbst fremd ist und ihn nur mystifiziert. Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, dass der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen grösseres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt. (…) Eigentum erscheint jetzt auf der Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 609f)

7„Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der blossen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 596)

8„Wie lang auch die Reihenfolge der periodischen Reproduktionen und vorhergegangnen Akkumulationen, die das heute funktionierende Kapital durchgemacht hat, es bewahrt immer seine ursprüngliche Jungfräulichkeit. Solange bei jedem Austauschakt — einzeln genommen — die Gesetze des Austausches eingehalten werden, kann die Aneignungsweise eine totale Umwälzung erfahren, ohne das, der Warenproduktion gemässe, Eigentumsrecht irgendwie zu berühren. Dieses selbe Recht steht in Kraft wie am Anfang, wo das Produkt dem Produzenten gehört und wo dieser, Äquivalent gegen Äquivalent austauschend, sich nur durch eigne Arbeit bereichern kann, so auch in der kapitalistischen Periode, wo der gesellschaftliche Reichtum in stets steigendem Mass das Eigentum derer wird, die in der Lage sind, sich stets aufs neue die unbezahlte Arbeit andrer anzueignen. Dies Resultat wird unvermeidlich, sobald die Arbeitskraft durch den Arbeiter selbst als Ware frei verkauft wird. Aber auch erst von da an verallgemeinert sich die Warenproduktion und wird sie typische Produktionsform; erst von da an wird jedes Produkt von vornherein für den Verkauf produziert und geht aller produzierte Reichtum durch die Zirkulation hindurch. Erst da, wo die Lohnarbeit ihre Basis, zwingt die Warenproduktion sich der gesamten Gesellschaft auf; aber auch erst da entfaltet sie alle ihre verborgnen Potenzen. Sagen, dass die Dazwischenkunft der Lohnarbeit die Warenproduktion fälscht, heisst sagen, daß die Warenproduktion, will sie unverfälscht bleiben, sich nicht entwickeln darf. Im selben Mass, wie sie nach ihren eignen immanenten Gesetzen sich zur kapitalistischen Produktion fortbildet, in demselben Maß schlagen die Eigentumsgesetze der Warenproduktion um in Gesetze der kapitalistischen Aneignung.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 613)

9„Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; dass also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnittes die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.“ (F. Engels: Das Begräbnis von Karl Marx, MEW 19, S. 335f)

10„Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.“ (K. Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 791)

Cliffhanger

Ob die permanente Krise des Kapitals nun systemrelevant ist, wird sich noch weisen. Der selbst reproduzierende Kapitalismus in all seinen globalen Mutationen ist ja bereits der resistente Virus par excellence.

Aus noch sämtlichen Konflikten, gerade und besonders denjenigen, welche kriegerisch ausgetragen werden, geht der krisenerprobte Kapitalismus als strahlender Held & Sieger hervor, scheinbar sämtlichen Gegnern hoch überlegen. Als Alleinherrscher über den Wert – schöpfend und verteilend – gleicht die Abhängigkeit des Einzelnen der eines Junkies. Fetisch Geld gilt als Grundstoff von Austausch und Kommunikation, als universelles Schmiermittel in den Beziehungen der Menschen untereinander. Seit aus Jägern und Sammlern besitzende Hirten und Sesshafte wurden, gewinnt das schwarze Loch der Kapitalisierung von Arbeit und Leben zunehmend an Sogkraft. Dass gerade jetzt, wo viele Menschen «frei gesetzt» werden, keine organisierten Demonstrationen möglich sind, ist kurz vor dem 1. Mai doppelt bitter. Angesichts anhaltender Kontaktsperre lässt sich selbst durch den Schleier von Notverordnung, Versammlungsverbot und Contact-Tracing unschwer die Dystopie von dominanter Exekutive und wachsender sozialer Unzufriedenheit erahnen – Apocalypse now, Revolution later.

Prima Klima

Früher war no future heute more. «Gopfrid Stutz jäzz Klimaschutz!» lautet eine der Parolen. Auffällig viele Grosseltern und Eltern. Samstags muss kein Unterricht oder Job geschwänzt werden, und so sind es zu Zürich sicher um die 20.000 Mitläufer.

Kleine und grosse Leute, rote und schwarze Fahnen, Pfadis aus Belgien («On est plus chauds que le climat!») und klimastreikende Frauen, die schon jetzt zum Frauenstreik am 14. Juni aufrufen. Manche müssen erst noch lernen ihr Transparent

plakativ zu gestalten, andere sind Dosenbier trinkend schon nach wenigen Metern nicht mehr ganz klimaneutral und ziemlich heiser. Einige grüssen, Kundschaft aus der weiten Gemeinde und ich frage mich, wo und wie man den Funk nach Frankfurt zur Zeitmessung unterbricht. Eine Turmuhr zeigt in der Stadt bereits fünf vor zwölf.

Alle sind gut drauf, sogar die Nachhut, welche mit Abfallgreifern und Kübeln ausgerüstet all das aufsammeln, was die Vorgänger auf dem Weg verloren bzw. liegen haben lassen. Saubere Sache denke ich noch, Schweiz nur Hilfsausdruck.

Zwinglich

Der Theologe Ulrich Zwingli steht im Mittelpunkt eines aufwändig produzierten Films, welcher den Beginn der Reformation in der Eidgenossenschaft historisch korrekt abzubilden versucht. Die stürmischen zwölf Jahre, in denen Zwingli in Zürich als Leutpriester prägend wirkte, werden nahezu vollständig und fast wie im Zeitraffer abgehandelt. Tricktechnisch wird Zürich nahezu perfekt in die Mittelalterliche Ära gebeamt. Schwarze Pest, Ertränken von Täufern, Verbrennung von Reformatoren und schliesslich Zwinglis Tod selbst auf dem Schlachtfeld sind die eher düsteren Seiten der Erzählung. Armen- und Krankenfürsorge, Volksbildung sowie Aufhebung von Leibeigenschaft und Zölibat die hoffnungsfrohen Botschaften der gesellschaftspolitischen Neuordnung. Im Film knapp erwähnt der Disput mit dem nördlichen Kollegen Luther («Menschenfresser»), der alsbald zu einem Riss in der Bewegung führen sollte. Erst 1973 wurde im Konkordat von Leuenberg das 450 Jahre andauernde Schisma des Protestantismus beseitigt. Wie sich Zwingli vom Humanisten zum Kriegsherrn und -treiber entwickeln konnte, ist in der Auseinandersetzung mit den radikalen Täufern bereits angelegt – tendenziell korrumpiert Macht. Huldrych (Huld-reich – so nannte er sich nach glücklich überstandener Pest) war auch nur ein Kind seiner Zeit und bis zur Aufklärung sollte es schon noch etwas dauern.

Dafür bleibt im über zweistündigen Film mehr als genug Zeit und Raum für so ziemlich alles Wesentliche aus der Anfangszeit der Reformation in ZH/CH: Söldnerwesen, Wurstessen, Ikonoklasmus, Aufhebung der Klöster, Glaubenskrieg. Im Abspann wird der in Zürich berühmten Wiediker Wursterei Keller gedankt, hahaha. Doch nicht lokale Interessen stehen im Vordergrund,  deutlich tritt die Konzeption für den massenmarkttauglichen Mainstream zu Tage. Fast alles und jedes damals wie heute aktuelle Thema (Selbstbestimmung, Emanzipation, Demokratie, mediale Deutungshoheit, Framing bis hin zu Fake News) ist erkennbar doppelt vorhanden: als Reflexion vom realen Jetzt ins fiktive Damals und als Echo unverzerrt retour in die Echtzeit. Zum Film hat die Produktionsfirma das didaktische Begleitmaterial gleich mit aufgelegt, so dass in Bälde ganze Schulklassen ins Kino pilgern werden, zumal mit 12 Jahren die Altersbeschränkung recht grosszügig ist. Zwingli macht frei.

Die reformierte Kirche hat durch Mitfinanzierung den Film ermöglicht und termingerecht einen adretten Markenbotschafter zu den 500-Jahre-Feierlichkeiten in der Deutschschweiz geliefert bekommen. Doch wollte Jeschua nie eine Kirche gründen, Zwingli keine Kirche der Angst und Unterdrückung, keinen Ruhm. Und ob bei Gross und Klein der Subtext der Disruption, ganz so wie der philosophische Medienpirat Stefan M. Seydel es in der Zwingli-Geschichte  zu enträtseln vermag, wirklich ankommt?

Los Hamburgués

Hamburg Weltstadt stolz und reich und arm und würdelos. Eine völlig verlebt und zerlumpt aussehende Person schiebt ihre Sieben-Wagen-Karawane, bestehend aus schäbigen Trolleys und Einkaufswagen, wechselweise fünf Schritte das Trottoir entlang. Stau im Pyramidenbau nur Hilfsausdruck. Die Emsigkeit und Akkuratesse dieser seltsamen Performance steht im völligen Kontrast zu der nach wahllos zusammen gelesenen Müll aussehendem Ladung der übervollen Transportmittel. Petflaschen mit trübem Inhalt und andere erbärmliche Habseligkeiten sind eher zu erahnen als erkennbar, weil aus empfundener Scham gegenüber dem rastlos und ungerührt agierenden Menschen einerseits lieber nicht so genau hingeschaut wird, andererseits es nicht wirklich interessiert. Ein trostlos bleiernes Grauschwarz in der vifen Urbanität der agilen Neustadt. Unwirkliche Abscheu gepaart mit Staunen über die fast choreographiert wirkende Aktion stellt sich ein, dazu ein heimlicher Blick zurück. Watsdat?! Aber ja, die anderen Passanten haben es auch gesehen und ebenso sprachlos nicht reagiert. Das Elend in Teutoniens Metropolen wirkt krass im Vergleich zu der helvetischen Insel. Handkehrum fällt der Ex-Sozialministerin aus D das Fehlen solcher Strassenszenen hierorts sofort auf. Selber an der Armutsfront tapfer kämpfend kennen wir natürlich Obdachlose, arme Schlucker, Sans-Papiers und Wanderarbeiter. Aber nicht in solch drastischen Ausschmückungen wie im Harz4land. Sogar im beschaulichen Schwabenländle sind Bettler, Strassenmusikanten und herumlungernde Menschen in den Innenstädten gewöhnlich, in Zürich all dies unter Androhung von Wegweisung aber strikt untersagt. Wenn halbe Zombies durch die Berliner U-Bahn schwankend mit der „haste mal“-Forderung auf Kleingeld drängen, ist für glückselige Inselbewohner derart direkte Konfrontation nur erschreckend. Ein diffuses Gefühl keimt auf: wir sind reich, weil ihr arm seid. Wenig später beim Michel, eine beinah noch groteskere Szenerie. Wo innen wahrhaftig ein Geschäftsführer tituliert, wird aussen überm Hauptportal Satan vom namensgebenden Erzengel stolz mit dem Kreuze bezwungen. Gleich nach dem Sieg dann drinnen das unübersehbare Schild mit der Bitte, gefälligst (s)einen Obulus abzulassen.

Maifeier

Der Musik-Gottesdienst im Offenen St. Jakob stand ganz im Zeichen von Freiheit, Widerstand und Anarchie. Derweil der musikalische Spannungsboten von „Die Gedanken sind frei“ über „Bella Ciao“ bis zur „Internationale“ führte, las der selbstbewusste Pfarrer der selbstoptimierten Leistungsgesellschaft leidenschaftlich die Leviten, da jene offensichtlich und vordergründig völlig entspannt die permanente Auto-Ausbeutung propagiere und durchsetze. Ein klares (äusseres) Feindbild gehe bei diesem subversiven Mechanismus völlig abhanden und bei Auflehnung kehre sich die Energie destruktiv nach innen und generiere die zeitgenössische Depression, den Burn-Out.

Als Gegenentwurf wurde ein herrschaftsloser Zustand der Anarchie skizziert, sowieso eingeschränkter Konsum und mehr Mut zur Freizeit. Selbst bei der Kollekte betonte der Vortragende, dass es vermutlich besser sei einfach einem Bedürftigen auf der Strasse das Geld in die Hand zu drücken, als damit den Opferstock zu füttern. Die kleine Gemeinde war durchwegs beeindruckt von dieser Maifeier und der Hobbyschweizer trällerte zum Feierabend noch fröhlich den Refrain von Solidaritätslied…

Juche

Stickstoffverbindungen aufm Mars, Grexident, versiegender Golfstrom und Naziversteck im Südamerikanischen Dschungel. Dies alles spielt im der real existierenden Juche-Universum der Demokratischen Volksrepublik Korea keine so prominente Rolle. Dort geht es um weitaus wichtigere Dinge, beispielsweise:

  • die Verbesserung des Lebensmilieus für Zugvögel in der DVRK
  • die Bildung von Vorbereitungskomitees zum Tag der Sonne
  • den Weltwettertag
  • die vollständige Abschaffung des Steuersystems
  • und die blühende Kimjongilie

Kimjongilie, Begonie, Blumenschmuck

Mehr über die diffizile Aufzucht und Pflege der Kimjongilie hier

Weitere interessante Meldungen Preziosen werden von der Stimme Koreas weltweit kund getan, wobei Stimme hier wortwörtlich gemeint ist und unbedingt gehört werden muss! Von ihr erhalten fragend navigierende Webtouristen genau jene Antworten, die sie hören sollen. Zwar scheint die Stimme Koreas noch auf Web 0.9 zu basieren, doch trotz zäher Ladezeiten lohnt der Ausflug allemal.

Gutbürger

Bei der symbolischen Okkupation des Paradeplatzes waren von den Neunundneunzigprozentigen zeitweilig immerhin 1000 selbst entfremdete Warencharaktere in der Schweizer Metropole beteiligt.

Der Paradeplatz ist für Zürich das, was Wall Street für New York City ist: ein lokales Sinnbild für die globale Hochfinanz. Übers Wochenende liess man generös das bunte Treiben gewähren, selbst die Tramlinien wurden am Nahverkehrsknotenpunkt effizient umgeleitet. Rechtzeitig zum Schichtbeginn der Bankster am Montagmorgen aber wurde von der staatlichen Exekutive der Abzug der unzufriedenen aber friedlichen Besetzer durchgesetzt.

Der aktuell aufkeimende internationale Protest einer zunehmend von Verarmung bedrohten Mittelklasse wird verständlicherweise hauptsächlich vom politisch und finanziell frustrierten Bürgertum sowie dessen Ablegern getragen und kommuniziert. Falls nun zusätzlich auch noch das gemeine Proletariat aus der Unterschichtenfernsehdämmerung heraus ins Dasein bestimmende Bewusstsein finden sollte, könnte eventuell die Revolution tatsächlich live übertragen werden…

Hier in der Schweiz finden kommenden Sonntag ganz in Ruhe und völlig systemkonform die eidgenössischen Parlamentswahlen statt:

Piraten und Powerpointgegner — vereinigt Euch!

Hasta Siempre

Dem zuletzt in Bolivien kindergärtnernden Comandante zum einundachtzigsten:

CheinBolivia1

Auf der überladenen und zäh ladenden Kulturseite von San Cristóbal de La Habana (edit 2018: Che-Song-Liste jetzt dort) findet man allerlei biographische Details zu Ernesto Guevara de la Serna. Ganz besonders beeindruckend ist die schier unzählige Liste von Interpreten der Comandante Che Guevara zum Abschied gewidmeten und (wahrscheinlich) populärsten zeitgenössichen Heldenhymne.

Für Sammler, Hardcore-Fans und solche die eventuell beides werden wollen tut sich dort eine wahre Goldgrube auf, in der man Preziosen findet wie Grupo 5u-4-Danae mit ihrer mondän anmutenden bigbandigen Interpretation, wo Grupo Tabacalero angestrengt realsozialistisch neutönt, die fast unverschämt unwissende Actrice Nathalie Cardone peppig-popig auf fünfhunderttausendfachen Kundenfang geht und der aufrecht (!) gebliebene altlinke Robert Wyatt eine eigenwillige Duftmarke setzt.

Geradezu unerhört wie viele Klangartisten sich an dem bald 50 Jahre alten Klassiker ausprobiert haben. Fast erholsam hingegen erklingt die Version des Komponisten Carlos Puebla selbst: einfach ist oft schlicht gut.