Wie und warum Reichtum arm macht und wieso der übermässige Reichtum weniger alle betrifft beschreibt ein aufschlussreicher Artikel im Online-Magazin REPUBLIK dort.
Und noch ein republikanischer Nachschlag in Sachen religiöser Kapitalismus hier.
Schlagwort: Finanz
Manager-Sozialismus
Nach dem Grounding von 2001 crasht nun eine weitere CH-Institution grandios. Ein klassischer Bank Run wurde zum Todesstoss für die alteingesessene Institution am Paradeplatz. Scheitern aber gilt nicht und wird im Kapitalismussprech gern noch als Erfolg kaschiert. So finden sich in einer ganzseitigen Anzeige bei NZZ und Blick die Bonmots «Fusionsvertrag», «Zusammenschluss», «Übergang» was jedoch eher Übernahme, Ausverkauf und vielversprechendes gleichwohl riskantes Schnäppchen mit staatlicher Garantie lauten sollte.
Die unverfrorene Schönfärberei tönt frivol, zumal die Kader der Credit Suisse unzählige Bankenskandale fabrizierten und dabei ihr Missmanagement dank der Bonuszahlungen von 42 Milliarden Franken alleine in den letzten 20 Jahren lauwarm ausbadeten.
Die nun neu entstehende Megabank mit einer Bilanzsumme von 1,5 Billionen Franken wird gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2022 in Höhe von 771 Milliarden Franken fast doppelt so gross wie die gesamte Volkswirtschaft der Schweiz.
Failed too big.
Delikat Essen CXI
Surplus, das
Nach der Theorie des Historischen Materialismus wird unter Surplus verstanden, wenn mehr Wert erwirtschaftet wird als für den eigenen Gebrauch und Erhaltung der Arbeitskraft notwendig ist. Dieser zunächst rein bäuerliche Überschuss ist bei dem Übergang zur sesshaften Agrargesellschaft die unbedingte Voraussetzung, damit sich Spezialisierung und Trennung der gesellschaftlichen Tätigkeiten in einer Niederlassung entwickeln können.
Handwerk und Handel, Kunst und Kultur sowie politische und militärische Tätigkeiten bilden sich so erst heraus und erzeugen ein völlig neues gesellschaftliches Machtgefüge, wobei schon nach wenigen Permutationen nicht mehr klar zu erkennen ist, wer welchen und wie viel Wert für den gesellschaftlichen Reichtum schafft und dieser in der Folge schlicht einfacher zu privatisieren ist – sei es durch rohe Gewalt oder politisch bzw. ideologisch motivierte Manipulation.
Hat eine Bank den sublimierten Wert in Geldform alchemistisch gespeichert, gibt sie diesen so leicht nicht mehr her, da sie damit noch mehr Wert schöpfen kann. Die fratzenhafte Überzeichnung der gesellschaftlichen Akteure lässt die beschriebene Transformation als gespenstisches Schattenspiel erscheinen, wo eigenes Handeln und Tun kaum mehr eindeutig als Ursache und Wirkung zu Tage tritt.
Vodookapitalismus
Der Fetischcharakter von Waren führt über den Fetisch Geld schliesslich zur Fetischierung von gesellschaftlicher Macht. Ohne es wirklich zu bemerken verfängt und verheddert sich der Mensch in der kapitalistischen Produktionsweise permanent und unaufhörlich wie in einem Spinnennetz. Im Fortgang wird durch die Abstraktion von Macht und Einfluss die physikalisch teilbare Welt nicht mehr als ein Ganzes gesehen, was negative Auswirkungen bis hin zur Selbstzerstörung hat. Die Aufforderung der Schöpfungsgeschichte wird somit pervertiert: der Mensch macht den Menschen selbst untertänig, gebiert alsbald das gefrässige Untier Kapital und lässt dieses schliesslich seinen eigenen Garten Eden erbarmungslos ausbeuten.
Gut, wenn man das Plus im Herzen trägt und das Bewusstsein das Sein bestimmt.
Zusammenfassende Einfassung
Der vorliegende Text wurde im Rahmen eines Kapital-Lektürekurs am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin bereits Mitte der neunziger Jahre verfasst. Hier erscheint er nur leicht redigiert als insgesamt eintausendster Beitrag.
Karl Marx: Das Kapital
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Die „Kritik der politischen Ökonomie“ schrieb Marx zum einen als Kritik an den zu seiner Zeit vorherrschenden ökonomischen Lehren, welche ihm theoretisch unvollständig sowie nicht radikal genug erschienen, zum anderen als Kritik der vorherrschenden gesellschaftlichen Beziehungen überhaupt. Nicht radikal meint hier, dass sie die grundsätzliche Bedeutung der ökonomischen Verhältnisse und deren Entwicklung in einer Gesellschaft kaum oder gar nicht berücksichtigten. Marx jedoch wies nach, dass der Kapitalismus immanente Widersprüche hervorbringt, und die kapitalistische Produktionsweise ein bestimmtes Stadium gesellschaftlicher Entwicklung im Laufe der Geschichte darstellt. Den Hauptwiderspruch im real existierenden Kapitalismus sah Marx darin, dass einerseits die gesellschaftliche Produktion, andererseits der Privatbesitz an den Produktionsmitteln (inklusive privat-kapitalistischer Aneignung des Produkts) sich gegenüberstehen. Dieser immanente Antagonismus – auf immer höherer Stufe reproduziert – drängt aber zur Auflösung.
Ein weiterer Ansatzpunkt der Marxschen Kritik geht aus von der erkenntnistheoretischen Prämisse (historischer Materialismus), dass das gesellschaftliche Sein das gesellschaftliche wie das individuelles Bewusstsein bestimmt[1]. Basis und Überbau sind hier zentrale Begriffe. Nach Marx bildet die ökonomische Struktur das Fundament der Gesellschaft, auf der sich dann allmählich der Staat[2] als Überbau mit allen Säulen wie Justiz, Armee, Kirche usw. erhebt. Die Beziehung zwischen Basis und Überbau ist korrelativ, gegenseitige, wechselseitige Beeinflussung[3]. Allerdings geht die Entwicklung der Basis nicht parallel vonstatten mit der des Überbaus und führt zwangsläufig zu Spannungen.
In seinem Hauptwerk DAS KAPITAL legt Marx ausführlich dar, wie der Kapitalismus die Verhältnisse von Personen zueinander immer mehr durchdringt und bestimmt. Dies führt über eine Subjekt-Objekt-Umkehrung (Entfremdung) hin zu einer Mystifikation des Warencharakters, zur Bildung des Waren-, Geld- und Kapitalfetisches. Der Hauptwiderspruch im Kapitalismus führt zu einer Bildung von sozialen Klassen in Form von Kapital und Lohnarbeit, zu der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Im „Kommunistischen Manifest“ von 1848 erklären Marx und Engels:
Die Geschichte aller Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. (…) Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei grosse feindliche Lager, in zwei grosse, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.
Die Marxsche Analyse betrachtet die ökonomischen Kategorien zunächst abstrakt und führt dann zur Sicht der Dinge so wie sie an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheinen (Wesen und Erscheinung). Das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten ist für diese Untersuchung typisch. Die von Marx verwandte Methode der Dialektik wird von Engels charakterisiert als „…die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens.“ Für Engels besteht die Dialektik aus folgenden Grundgesetzen:
- Einheit und Kampf der Gegensätze, der Widerspruch als treibende Kraft der Entwicklung
- Umschlag von Quantität in Qualität, d. h. es kommt zu dialektischen Sprüngen in eine neue Qualität (und umgekehrt)
- Negation der Negation, d. h. dass jede langfristige Entwicklung dadurch gekennzeichnet ist, dass an einem bestimmten Punkt ein bestehender Zustand aufgehoben (negiert) wird, die anschliessende Entwicklung sich in der neuen veränderten Richtung vollzieht, bis es erneut zu einer Aufhebung, dann allerdings auf einer höherer Stufe kommt (F. Engels: Anti-Dühring, MEW 20, S. 131f)
Tauschverhältnis
Aufgrund der in das Auge förmlich springenden „ungeheuren Warensammlung“, welche den Reichtum einer Gesellschaft mit kapitalistischer Produktionsweise kennzeichnet, beginnt die Untersuchung von Marx mit der Analyse der „Elementarform“, nämlich der einzelnen Ware. Hierbei werden nun zwei Aspekte augenscheinlich: Zum einen ist jede Ware einem bestimmten Zweck dienlich (Konsumtion), besitzt einen anerkannten Gebrauchswert, zum anderen besteht ein Verhältnis zur übrigen Warenwelt, welches sich im Austausch offenbart. Dieses Verhältnis ist durch Tauschverhältnisse bestimmt, die auf dem Wert (der gemeinsamen Substanz) der Waren, ausgedrückt im Tauschwert, beruhen. Allgemeine Warenproduktion entsteht unter der Voraussetzung der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit und selbstständigen und voneinander unabhängigen Privatarbeiten. Hieraus resultiert der Grundwiderspruch aller Warenproduktion, dass sich nämlich die Privatarbeit als gesellschaftliche Arbeit darstellen muss. Die kapitalistische Warenproduktion ist auf den potentiellen Austausch ausgerichtet, die Produktion ist markt- bzw. tauschwertorientiert. Was sich tauschen lässt wird hergestellt, ob für eine Ware Bedarf besteht interessiert zunächst nicht. Jede Ware muss sich andererseits darstellen als das Doppelte, eben Gebrauchswert zu sein und einen gesellschaftlich anerkannten Tauschwert zu besitzen. Dieser Spagat wird im Kapitalismus zunehmend durch Bedürfniserweckung mittels Werbung erreicht.
Doppelcharakter
Der Doppelcharakter der menschlichen Arbeit[4] ist für den Doppelcharakter der Ware ursächlich. Jede Arbeit wird in besonderer, zweckdienlicher Weise verausgabt, schafft so Gebrauchswert. Marx nennt diese Arbeit konkret nützliche Arbeit. Der Wert wird durch die abstrakt menschliche Arbeit gebildet. In einer Gesellschaft mit Arbeitsteilung ergibt sich die Forderung nach Vergleichbarkeit der verschiedenen Arbeiten. Quantitativ lassen sich Waren durch die für die jeweilige Produktion erforderliche Arbeitszeit messen. Hierbei dient die im gesellschaftlichen Massstab durchschnittlich notwendige Arbeitszeit für die Fertigung einer gegebenen Ware als ’Messlatte’, bzw. nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit geht in die Wertbestimmung ein. Doch nur auf dem Markt, in der Sphäre der Zirkulation erweist sich letztendlich, ob der Wert auch realisiert werden kann. Wird eine Ware nicht verkauft, folglich deren Wert nicht realisiert, erweist sich die für die Herstellung der Ware verausgabte Arbeit als überflüssig verausgabt. Aufgrund dieser quasi nachträglichen Wertbestimmung ist die eigentlich planlose kapitalistische Produktion anarchisch.
Geldfetisch
Die Anforderungen expandierenden Handels machen die Geldform, bzw. die allgemeine Äquivalentform unvermeidlich. Um den Wert einer Ware mit der übrigen Warenwelt zu vergleichen, müssen sich alle Waren in einer einzigen Ware messen lassen. Die dafür als Wertmass fungierende Ware muss Ware sein, um anderen Waren eine Wertgestalt geben zu können. Geld[5], bzw. früher eben Gold, ist Ware. Beim heutigen Geld ist der Gebrauchswert Geld zu sein eher ideell, der Tauschwert dagegen sehr reell, in klingender Münze vorhanden.
Der Austausch von Waren wird dadurch eingeleitet, indem sich eine Ware mit einer anderen auf dem Markt misst. Der Wert einer Ware ist im Gebrauchswert einer anderen ausgedrückt. Hierbei wird ein fundamentaler Widerspruch, der zugleich eine dialektische Einheit bildet, offensichtlich. Tauschwert erscheint als Gebrauchswert, Gebrauchswert als Tauschwert, der Kaufakt ist gleichzeitig Verkaufsakt und umgekehrt. Beim einfachen Warentausch W-G-W, Ware – Geld – Ware, wird Ware gegen Ware getauscht. Geld dient dabei lediglich als Vermittler des Austauschprozesses. Unzählige G-W-Prozesse sind mit diesem Grundmodell ökonomischer Beziehungen verknüpft. Die Bewegung G-W-G, Geld – Ware – Geld, ist charakteristisch für den Kapitalismus. Geld wird hier vorgeschossen, um es nach dem Austauschprozess wieder in Händen zu halten, möglichst mit Gewinn, mit Mehrwert. Während es im ersten Prozess W-G-W um den Gebrauchswert geht, interessiert im G-W-G Modell der Wert bzw. dessen Verwertung. Durch blossen Austausch kann allerdings kein Mehrwert erzielt werden. Zwar kann die Ware höher ausgepreist werden als ihr tatsächlicher Wert darstellt, doch werden es die anderen Austauscher mit ihren Waren bald ebenso machen. Gesellschaftlich betrachtet wird alles teurer, kein Mehrwert ist vorhanden. Die bürgerliche Mystifikation der Zirkulationssphäre (zu einer ’Gewinnzone’) ist bloss gestellt: der Mehrwert wird in der Sphäre der Produktion – mittels der Konsumtion der Arbeit durch den Kapitalisten über die für die Reproduktion der Arbeitskraft des Arbeiters notwendige Arbeitszeit hinaus – vom Arbeiter geschaffen. Über den ’Umweg’ Produktion ist es möglich, dass der Geldgeber mehr Geld aus der Zirkulation herauszieht, als er ursprünglich investierte.
Dass die Menschen genötigt sind ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen, hat als Ursache die doppelte Freiheit: frei von Produktionsmitteln, sowie freie Verfügung über sich selbst (im Gegensatz zum Sklaven oder Leibeigenen). Dafür verantwortlich ist die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, welche die historische Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln schuf. Erst diese „Freiheiten“ machten es möglich, dass die Arbeitskraft als Ware auf dem Markt angeboten werden muss, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Als Lohnarbeiter vermietet der Arbeiter seine Arbeitskraft an den Geldbesitzer. Dieser lässt die „geleaste“ Arbeitskraft die erworbenen Produktionsmittel unter seiner Kontrolle produktiv bearbeiten und eignet sich schliesslich das Produkt an, um einen Profit auf dem Markt zu erzielen.
Mehrwert
Der spezifische Gebrauchswert der menschlichen Arbeitskraft ist die Arbeit selbst (wertbildend). Ihr Tauschwert ist bestimmt durch den Warenwert, welcher für ihre Erhaltung erforderlich ist. Dem Wert der Arbeitskraft entspricht also das Äquivalent der zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel. Nun kann die Arbeit aber täglich mehr Wert schaffen, als für deren Erhaltung nötig ist. Mit steigender Produktivität sinkt die notwendige Arbeitszeit, die Mehrarbeitszeit nimmt zu. Wenn der Arbeiter für einen Tag seine Arbeitskraft verkauft hat, er in einem halben Tag seine Erhaltungskosten erarbeitet hat, so kann er deshalb noch lange nicht nach Hause gehen, da dies eine Verletzung der vertraglichen Abmachung mit dem Kapital bedeuten würde. Das Kapital hat schliesslich grösstes Interesse an unbezahlter Mehrarbeit, denn nur die schafft den erwünschten Mehrwert.
Durch legalen und freien ’Tausch’ von Äquivalenten in der Zirkulationsspäre kommt das Kapital zu Produktionsmitteln und Arbeitskraft. Der darauf folgende Produktionsprozess ist sowohl Arbeitsprozess (qualitative Seite GW) und Wertbildungsprozess (quantitative Seite TW). Wird die Arbeitskraft über den Punkt der äquivalenten Wertbildung hinaus verwertet wird der Wertbildungsprozess zum Verwertungsprozess: Mehrwert produziert. Anschliessend wird das neue Produkt inklusive des in ihm steckenden Mehrwerts in der Zirkulation in Geld zurück verwandelt.
Zirkulation:
G-W (Kauf der Produktionsmittel und Arbeitskraft)
Produktion:
W…P…W’ (Wertbildungs- und Verwertungsprozess)
Zirkulation:
W’-G+g (Wert- und Mehrwertrealisation (Verkauf))
Der Mehrwert entsteht somit ohne Verletzung des Wertgesetzes ausschliesslich in der Produktion, und zwar durch Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital. Niemanden kann an dieser Stelle ein Vorwurf gemacht werden, weder dem Kapitaleigner noch dem Arbeiter. Ein jeder tut das, was von ihm erwartet wird. Der Kapitalist macht Gewinn, der Arbeiter erarbeitet diesen. Dies darf natürlich den Blick auf die bestehenden Produktionsverhältnisse keineswegs verschleiern. Schein und Sein sind zu differenzieren. Was als ’Freiheit’ erscheint, ist real eine Unfreiheit, Abhängigkeit des Lohnsklaven vom Kapital. Marx spricht in diesem Zusammenhang von „unsichtbaren Fäden“, an denen die Lohnarbeiter an das Kapital gebunden sind.[6]
Produktivkraftsteigerung = Mehrwertsteigerung
Der Heisshunger des Kapitals nach Mehrwert (als sich selbst verwertender Wert), führt zunächst zu einer masslosen Verlängerung des Arbeitstages. Dem sind jedoch Grenzen gesetzt: die physische sowie die moralische. Kein Arbeiter kann täglich mehr als 24 Stunden arbeiten. Ausserdem hat er soziale und geistige Bedürfnisse, welche von den vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmt sind. Dennoch erstrebt das Kapital, den Arbeitstag so profitabel wie möglich zu nutzen. Das unbedingte Trachten nach Mehrwert, hier absoluter Mehrwert, treibt zu einer Verlängerung des Arbeitstages. Sobald die Arbeiter (Gewerkschaften) die Einführung eines gesetzlichen Normalarbeitstages erkämpften, widmete sich das Kapital der zweiten Form der Mehrwertproduktion, der Bildung von relativen Mehrwert. Dies geschieht durch Verkürzung der bezahlten notwendigen Arbeitszeit zugunsten der Mehrarbeitszeit innerhalb der Schranken des Arbeitstages. Eine permanente Produktivkraftsteigerung ist bis heute durch diese Mehrwert-Sucht zu konstatieren: jede technische Neuerung wird sofort produktiv eingesetzt und treibt (Gesetz der Konkurrenz!) zu weiterer Entwicklung des technologischen Standards an.
Indem zuerst die Arbeitsteilung in der Kooperation, dann Manufakturen und schliesslich die grosse Industrie mit ihrem gewaltigem Maschineneinsatz den Produktionsprozess revolutionieren, gelingt es dem Kapital, dass durch gesteigerte Produktivität die notwendige bezahlte Arbeitszeit sich immer weiter verringert, die Mehrarbeitszeit proportional dazu steigt. Neue Technik sorgt für einen zusätzlichen Produktivitätsschub, so in der fortschreitenden Automation (Mikroelektronik, Industrieroboter), welche als die 4. Stufe der Produktivkraftentwicklung bezeichnet werden kann.
Marx bezeichnet das konstante Kapital ’c’ als das in Werkstätten, Arbeitsgeräten und Arbeitsmitteln angelegte Kapital. Konstant, weil es sich nicht selbst verwertet und sein Wert in aliquoten Teilen von der konkreten Arbeit auf das Produkt übertragen wird. Der variable Kapitalteil ’v’ besteht aus dem Reproduktionsfond der Lohnarbeiter, bzw. der bezahlten Arbeit. In der Form des Arbeitslohnes erscheint die ganze Arbeitszeit als bezahlt. Eine weitere Mystifikation, da die Arbeiter ausser der bezahlten eben auch unbezahlte (Mehr-) Arbeit leisten. Mit ’m’ ist der Mehrwert benannt, dessen Rate sich aus m/v bzw. aus dem Verhältnis von Mehrarbeitszeit zur notwendigen Arbeitszeit ergibt. Marx nennt diese Rate auch den „Exploitationsgrad“ der Arbeiter durch das Kapital. Unter Produktenwert versteht Marx c+v+m. Mit Neuwert oder Wertprodukt v+m. Die Profitrate p berechnet sich wie folgt:
Da sich die technische Zusammensetzung des Kapitals (hier c) permanent erhöht, muss die Profitrate also fallen; das Gesetz der tendenziellen Falls der Profitrate führt zu einem Zielkonflikt: Arbeitsproduktivität wird am stärksten dadurch gesteigert, dass ein immer grösserer Teil des verfügbaren Kapitals in Form von konstantem Kapital c, ein immer geringerer Teil in Form von variablem Kapital v investiert wird.
Reproduktion — auch der Verhältnisse
Produktion erfordert Reproduktion: die verbrauchten Produktionsmittel sowie die Arbeitskraft müssen fortwährend ersetzt werden. Infolgedessen ist der Produktionsprozess des Kapitals zugleich dessen Reproduktionsprozess. Reproduktion von Kapital auf gleicher Stufe (einfache Reproduktion) erfolgt bei Beibehaltung des Produktionsfeldes abzüglich des Konsumtionsfonds des Kapitalisten. Die individuelle Reproduktion der Arbeiter erscheint als ein Moment der Reproduktion des Kapitals, da die notwendigen Waren lediglich zur Erhaltung der Ware Arbeitskraft für das Kapital ausreichen und zudem bei der Kapitalistenklasse erworben werden müssen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden so fortwährend reproduziert.[7]
Typisch für den Kapitalismus ist die erweiterte Reproduktion: Wiederholung des Produktionsprozesses auf jeweils höherer Stufe, Einsatz zusätzlicher und besserer Produktionsmittel, Bereitstellung zusätzlicher Konsumtionsmittel. Die Ausdehnung der Produktion erfolgt extensiv wie intensiv. Erweiterte Reproduktion bzw. Akkumulation von Kapital ist also die Verwandlung des Mehrwertes in zuschüssiges Kapital abzüglich des Konsumtionsfonds des Kapitalisten; ein Teil des Mehrprodukts dient der Erweiterung der Produktion (Konkurrenzdruck), das Kapital akkumuliert. Mehr Kapital, mehr Ausbeutung, mehr Mehrwert usw. Auf der Seite der Lohnarbeiter dagegen akkumuliert das Elend. Infolge der permanenten Akkumulation schlägt das Aneignungsgesetz der einfachen Warenproduktion (Aneignung fremder Arbeit nur durch eigene Arbeit) um in das Gesetz der kapitalistischen Aneignung. Ungleicher (nicht äquivalenter) Tausch ist das absolute Merkmal des Kapitalismus und die unentgeltliche Aneignung von Mehrarbeit bürgerliches Recht. Getauscht wird nur zum Schein, da das variable Kapital vom Arbeiter zuvor selbst produziert wurde, und mit neuerlicher Arbeit inklusive Mehrarbeit ersetzt werden muss.[8]
Globalisierung durch permanente Akkumulation
Fortschreitende Akkumulation führt zu Zentralisation von Kapital, d. h. die Zusammenfassung bzw. Konzentration von verschiedenen einzelnen Kapitalen zu Grosskapital (Aktiengesellschaften, Monopolbildung) mit immanenter Rückwirkung auf die Produktivkraftentfaltung. Das proportionelle Verhältnis zwischen den im Produktions- und Reproduktionsprozess notwendigen Produktionsmitteln und Arbeitskräften ist die technische Zusammensetzung des Kapitals. Sie ist abhängig vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte und -techniken und dem Angebot an Arbeitskraft: harmonieren die Proportionen nicht, kommt es zu Stockungen der Produktion. Die Kapitalakkumulation erhöht die Wertzusammensetzung, die organische Zusammensetzung des Kapitals. Die Steigerung des konstanten Kapitalteils geht infolge des permanenten technischen Fortschritts als auch der Zwangsgesetze der kapitalistischen Konkurrenz in ungleich grösserem Ausmass vor sich als die des variablen Teiles. Das bedeutet, dass eine grössere Produktmenge mit gleichbleibendem Arbeitsaufwand produziert wird (Rationalisierung). Die industrielle Reservearmee ist Resultat und Voraussetzung. Marx spricht in diesem Zusammenhang von einer relativen Überbevölkerung (Massenarbeitslosigkeit).
Festzuhalten bleibt, dass sich das Kapital nicht auf wirtschaftliche Kategorien beschränken lässt. Es ist vielmehr ein gesellschaftliches Verhältnis[9], welches zwischen den Menschen steht, sie verbindet und trennt. Als geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation erkennt Marx die Aufhebung der Trennung zwischen Produzenten und Produktionsmitteln und damit die Negation der kapitalistischen Produktionsweise.[10]
Historische Akkumulation
Die ursprüngliche Akkumulation sorgte durch staatlich sanktionierten Landraub für die gewaltsame Trennung der Bauern als Produzenten vom Boden als früher wichtigstem Produktionsmittel sowie die Abschaffung der feudalen Bindungen (doppelt freie Lohnarbeiter). Die vormals selbst produzierten Nahrungsmittel mussten nun beim Kapitalisten durch Verkauf der Arbeitskraft (Lohnarbeit) erworben werden. Gleichzeitig übten die vermehrt auftretenden kapitalistischen Kooperationen v. a. in Form der Manufaktur enormen wirtschaftlichen Druck auf kleine Handwerker aus. Für viele marxistische Theoretiker bleibt die ursprüngliche Akkumulation auch heute noch der ’Anlasser’ des Kapitalismus. Die Aneignung unbezahlter Nicht-Lohnarbeit (weibliche Reproduktionsarbeit) sowie der Kapitalzufluss aus der sogenannten Schattenwirtschaft, halten die Akkumulationszentrifuge am Laufen, während sie ohne parallele ursprüngliche Akkumulation längst ’überakkumuliert’ wäre. Fortwährende ursprüngliche Akkumulation ist noch heute im Trikont zu beobachten.
Das ursprüngliche Kapital stammt aus dem Handels-, Wucher- und Grundkapital. Hierfür einige historische Stichpunkte:
- Die Übergänge von der Urgesellschaft (Urkommunismus: gemeinsame Arbeit auf Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums der Produktionsmittel) hin zum Kapitalismus verlaufen über die Stationen der antiken Sklavenhaltergesellschaft, der patriarchalische Ausbeutergesellschaft (asiatische Produktionsweise) und dem Feudalismus. Diese Übergänge fanden nicht in allen Kulturen und Regionen der Erde zeitgleich bzw. aufeinanderfolgend statt. Die Entstehung der Klassengesellschaft ist vom Stand der Sklavenhaltergesellschaft aus verständlich: die Ausbeutung von Sklaven spaltete die Gesellschaft in Ausbeuter und Ausgebeutete. Ebenso erfolgte hier die Entstehung des Gegensatzes von Hand- und Kopfarbeit. Das Patriarchat förderte den Übergang von gesellschaftlichem zu privatem Eigentum an Boden, also Grundkapital. Es wurde in der weiteren Entwicklung juristisch fixiert.
- Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist fundamental für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Möglich ist Arbeitsteilung auf der Grundlage eines Mehrproduktes (= Produkt minus notwendiges Produkt). Die erste gesellschaftliche Arbeitsteilung vollzog sich zwischen Viehzucht und Ackerbau, die zweite zwischen Ackerbau und Handwerk, die dritte schliesslich sorgte für die Herausbildung von Handelsleuten (Gegensatz zwischen Stadt und Land, Transport von Lebensmitteln, Fernhandel). Durch nicht-äquivalenten Austausch eignete sich das Handelskapital Teile des gesellschaftlichen Mehrproduktes an. Mit der Konzentration der Geldmittel entwickelte sich das Wucherkapital. Dieses eignete sich in Form von Zinsen sogar Teile des notwendigen Produktes an.
- Grundeigentum war die absolute Basis des Feudalismus. Der Boden als wichtigstes Produktionsmittel wurde in Form von Lehen, Arbeits- und Naturalrente bis hin zur Geldrente verwertet.
- Durch imperiale Kolonisationspolitik wurden grössere Absatzmärkte erobert. Der Handel mit exotischen Rohstoffen und Genussmitteln, Sklaven etc. nahm zu. Das Handelskapital gewann verstärkt an gesellschaftlichen Einfluss, nicht zuletzt deshalb, weil sie in immer grösserem Ausmass als Kreditgeber für die Herrschenden unentbehrlich wurden (Kriegsfinanzierung, ’Entdeckung’ Amerikas…). Konnten die Herrschenden ihre Schulden nicht mehr bezahlen, kam es zu Grundübertragungen. Geld wurde so zum wichtigsten Mittel des Bürgertums gegen den Feudalismus.
- Die mit dem Niedergang des Feudalismus einsetzende Landflucht entzog der bäuerlichen Schicht den Boden der Subsistenzwirtschaft. Die Abhängigkeit von ’hartem’ Geld wuchs, vermehrte Schulden folgten vermehrte Zinsen. Quasi war so die alte feudale Leibeigenschaft wieder hergestellt, nur dass diesmal die freien Bürger die Herren waren (Schuldsklaverei).
- Aufgrund der an Bedeutung gewinnenden Ware-Geld-Beziehung gegenüber der reinen Naturalwirtschaft, stiess die bürgerliche Produktionsweise an die feudalen Grenzen. Neue Produktionstechniken, verbessertes Arbeitsgerät und Entwicklung effektiverer Transportmittel trugen zu weiterer Produktivkraftentfaltung bei. Die Schaffung nationaler Märkte trat in den Vordergrund. „Egalité, Liberté und Fraternité“ waren daher die Losungen der bürgerlichen Revolutionen.
Anmerkungen:
1 „Der Materialismus in all seinen geschichtlichen Formen geht davon aus, dass die Natur, die materielle Welt, die Materie gegenüber dem Bewusstsein das Primäre, das Bestimmende ist, dass das Empfinden und Denken von der Materie hervorgebracht und bestimmt wird, also der Materie gegenüber sekundär ist. Er ist seinem Wesen nach atheistisch und eng mit dem Fortschritt der Wissenschaften verbunden. (..) Der Idealismus geht vom Primat des Bewusstseins, des Geistes, der Empfindungen gegenüber der materiellen Welt aus und erklärt die Natur, die materielle Welt, die Materie für sekundär, für ein Produkt des Geistes, des Denkens, der Empfindungen.“ (aus: Dialektischer und historischer Materialismus, Berlin 1988, S. 26f)
2 „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, welche einer Bestimmten Stufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. (…) Mit Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ (K. Marx: Vorwort Zur Kritik der polit. Ökonomie, MEW 13, S. 8f)
3 In „Die deutsche Ideologie“ schreiben Marx und Engels:“Da der Staat die Form ist, in welcher die Individuen einer herrschenden Klasse ihre gemeinsamen Interessen geltend machen und die ganze bürgerliche Gesellschaft einer Epoche sich zusammenfasst, so folgt, dass alle gemeinsamen Institutionen durch den Staat vermittelt werden, eine politische Form erhalten. Daher die Illusion, als ob das Gesetz auf dem Willen, und zwar auf dem von seiner realen Basis losgerissenen, dem freien Willen beruhe. Ebenso wird das Recht dann wieder auf das Gesetz reduziert.“ (MEW 3, S. 62)
Engels gibt in seiner Untersuchung „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ einen geschichtlichen Abriss von der Urgesellschaft bis hin zur modernen Staatsbildung. In seinem Spätwerk „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen Philosophie“ führt er weiter aus: „Im Staat stellt sich uns die erste ideologische Macht über den Menschen dar. Die Gesellschaft schafft sich ein Organ zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen gegenüber inneren und äusseren Angriffen. Dies Organ ist die Staatsgewalt. Kaum entstanden, verselbständigt sich dies Organ gegenüber der Gesellschaft, und zwar um so mehr, je mehr es Organ einer bestimmten Klasse wird, die Herrschaft dieser Klasse direkt zur Geltung bringt. (..) Der Staat aber, einmal eine selbständige Macht geworden gegenüber der Gesellschaft, erzeugt alsbald eine weitere Ideologie. (..) Weil in jedem einzelnen Falle die ökonomischen Tatsachen die Form juristischer Motive annehmen müssen, um in Gesetzesform sanktioniert zu werden, (…) deshalb soll nun die juristische Form alles sein und der ökonomische Inhalt nichts. (…) Noch höhere, d. h. noch mehr von der materiellen, ökonomischen Grundlage sich entfernende Ideologien nehmen die Form der Philosophie und der Religion an. Hier wir der Zusammenhang der Vorstellungen mit ihren materiellen Daseinsbedingungen immer verwickelter, immer mehr durch Zwischenglieder verdunkelt. (MEW 21, S. 300ff)
4„Aber die vergangene Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz verschiedne Grössen. Die erste bestimmt ihren Tauschwert, die andre bildet ihren Gebrauchswert.“ (K. Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 207f)
5„Der Geldkristall ist ein notwendiges Produkt des Austauschprozesses, worin verschiedenartige Arbeitsprodukte einander tatsächlich gleichgesetzt und daher tatsächlich in Waren verwandelt werden. Die historische Ausweitung und Vertiefung des Austausches entwickeln den in der Warennatur schlummernden Gegensatz von Gebrauchswert und Wert. Das Bedürfnis, diesen Gegensatz für den Verkehr äusserlich darzustellen, treibt zu einer selbständigen Form des Warenwerts und ruht und rastet nicht, bis sie endgültig erzielt ist durch die Verdopplung der Ware in Ware und Geld.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 101f)
6„Insofern der Mehrwert, woraus Zusatzkapital Nr. I besteht, das Resultat des Ankaufs der Arbeitskraft durch einen Teil des Originalkapitals war, ein Kauf, der den Gesetzen des Warenaustausches entsprach, und, juristisch betrachtet, nichts voraussetzt als freie Verfügung auf Seiten des Arbeiters über seine eignen Fähigkeiten, auf Seiten des Geld- oder Warenbesitzers über ihm gehörige Werte; sofern Zusatzkapital Nr. II usw. bloss Resultat von Zusatzkapital Nr. I, also Konsequenz jenes ersten Verhältnisses; sofern jede einzelne Transaktion fortwährend dem Gesetz des Warenaustausches entspricht, der Kapitalist stets die Arbeitskraft kauft, der Arbeiter sie stets verkauft, und wir wollen annehmen selbst zu ihrem wirklichen Wert, schlägt offenbar das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil um. Der Austausch von Äquivalenten, der als die ursprüngliche Operation erschien, hat sich so gedreht, dass nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Äquivalent angeeigneten fremden Arbeitsproduktes ist und zweitens von seinem Produzenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Surplus ersetzt werden muß. Das Verhältnis des Austausches zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also nur ein dem Zirkulationsprozess angehöriger Schein, bloße Form, die dem Inhalt selbst fremd ist und ihn nur mystifiziert. Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, dass der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen grösseres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt. (…) Eigentum erscheint jetzt auf der Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 609f)
7„Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der blossen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 596)
8„Wie lang auch die Reihenfolge der periodischen Reproduktionen und vorhergegangnen Akkumulationen, die das heute funktionierende Kapital durchgemacht hat, es bewahrt immer seine ursprüngliche Jungfräulichkeit. Solange bei jedem Austauschakt — einzeln genommen — die Gesetze des Austausches eingehalten werden, kann die Aneignungsweise eine totale Umwälzung erfahren, ohne das, der Warenproduktion gemässe, Eigentumsrecht irgendwie zu berühren. Dieses selbe Recht steht in Kraft wie am Anfang, wo das Produkt dem Produzenten gehört und wo dieser, Äquivalent gegen Äquivalent austauschend, sich nur durch eigne Arbeit bereichern kann, so auch in der kapitalistischen Periode, wo der gesellschaftliche Reichtum in stets steigendem Mass das Eigentum derer wird, die in der Lage sind, sich stets aufs neue die unbezahlte Arbeit andrer anzueignen. Dies Resultat wird unvermeidlich, sobald die Arbeitskraft durch den Arbeiter selbst als Ware frei verkauft wird. Aber auch erst von da an verallgemeinert sich die Warenproduktion und wird sie typische Produktionsform; erst von da an wird jedes Produkt von vornherein für den Verkauf produziert und geht aller produzierte Reichtum durch die Zirkulation hindurch. Erst da, wo die Lohnarbeit ihre Basis, zwingt die Warenproduktion sich der gesamten Gesellschaft auf; aber auch erst da entfaltet sie alle ihre verborgnen Potenzen. Sagen, dass die Dazwischenkunft der Lohnarbeit die Warenproduktion fälscht, heisst sagen, daß die Warenproduktion, will sie unverfälscht bleiben, sich nicht entwickeln darf. Im selben Mass, wie sie nach ihren eignen immanenten Gesetzen sich zur kapitalistischen Produktion fortbildet, in demselben Maß schlagen die Eigentumsgesetze der Warenproduktion um in Gesetze der kapitalistischen Aneignung.“ (K. Marx, Das Kapital I, MEW 23, S. 613)
9„Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; dass also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnittes die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.“ (F. Engels: Das Begräbnis von Karl Marx, MEW 19, S. 335f)
10„Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.“ (K. Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 791)
The times they are a-changin´
Bankrun
Falls in der Schweiz ein Run auf die Franken-Automaten anstünde, wäre er wahrscheinlich eher gesittet, wie das hilfsbereite Post-it eines Bankomaten-Kunden erahnen lässt. Ausserdem beruhigend: das Land besitzt sowieso mehr als genug Geldreserven.
Zudem wird der Eidgenosse ständig daran erinnert Vorräte anzulegen «Kluger Rat — Notvorrat», wobei der Armeechef natürlich mit gutem Beispiel stets vorweg marschiert. Gut, der letzte Sonnensturm ging nochmal glimpflich ab, aber steht nicht der Russe Flüchtling Grieche bereits draussen vor der Türe?
Obrigado
Sozialneid im real existierenden Kapitalismus ist ähnlich konstruktiv wie Tanzen über Architektur.
Aber dennoch interessant: gemäss dem wunderbar leicht zu bedienenden BBC-Kalkulator müsste ich als Lohnsklave bei identischem Einkommen bereits seit 800 Jahren arbeiten, um in Summe das Jahressalär von Senhor Cristiano R. zu erzielen.
Umgekehrt braucht die fussballernde Hosenbeule für meinen Jahresverdienst nicht einmal eine volle Viertelstunde Training einzuplanen.
Auf der BBC-Seite lassen sich solche Absurditäten anhand weiterer kurzbehoster Besserverdiener drastisch schön darstellen.
Ohne das schmerzliche Thema Brot & Spiele am dieser Stelle tiefschürfender zu behandeln, lieber noch einen fotografischen Hinweis auf antike Sportbekleidung, als man mit den kurzen dicken Hosen sowieso noch dem klassischen Calcio frönte.
Scheiss Millionäre
Präsidiert der Knacki dann als Pate den FCB?
Kleinbank
Ackermannzeitalter
User mainstreet philosophiert zwar ohne Komma und anderen Schnickschnack, aber bei vollem Bewusstsein über die Folgen kapitalistischer Ausbeutungsmechanismen und empfiehlt Entscheidern zuvörderst ein gut bewährtes Ausstiegsszenario:
Viele Menschen sagen das das Leben das einzige ist was wir haben und das man versuchen muss mit dem wenigen was wir sind und haben etwas anzufangen und es ist bedauerlich wenn sich Personen die finanziell gut gestellt sind keinen Sinn mehr im Leben sehen was auch sicherlich außerhalb des Arbeitslebens und des Arbeitsplatzes begründet sein kann weil man immer nur sieht das andere auch arbeiten und Geldverdienen und es die Hippies der Sechziger nicht mehr gibt die es immer ohne Arbeit oder mit wenig um die halbe Welt schafften und einfach zufrieden waren mit etwas Haschisch aus dem Gewächs des Hanfes. Nach einem erfolgreichen Arbeitsleben wenn man finanziell gut gestellt wäre könnte oder konnte man das dann immer noch in Erwägung ziehen. Aber die Zeiten haben sich geändert auch durch die Wirtschaft und Computer und eines erbitterten Konkurrenzkampfes wo jeder die Kosten minimiert . Gerade weil es heute Arbeit im Überfluss nicht mehr gibt wie in den sechzigern gibt es auch keine Bewegung mehr wie die Hippies die Arbeit schlicht und einfach ganz mies finden auch wenn es einen anderen Ausdruck dafür gibt.-
Aber jeder sollte daran glauben das die Hippies wiederkommen damit das Leben wieder Flower und Power wird und sich das Leben lohnt.Eine Zeit ohne Perspektive zu Arbeit und Gewinn ist eine verlorene Zeit und natürlich kommt es auf das Verhältniss an. Selbsmorde in dieser Kategorie von Menschen deuten immer in diese Richtung und es ist traurig so etwas zu erleben auch für Herrn Ackermann und das muß man eben einfach verstehen und Aussteigen wie Herr Ackermann ist ein Weg den auch die Hippies immer bestritten und zum Glück führen kann.
Zugzwang
Schach ist Sport ist Spiel ist Geschäft. Nach den russischen Diamanten in Zürich und dem aserbaidschanischen Erdöl in London sponsert als nächstes ein hoch diversifizier Russischer Allrounder das Spiel mit den Königen.
Auf den 64 Schachfeldern messen sich im Kanton Zug gleich elf der Top-20 Grossmeister auf Kosten eines Herrn Vekselberg, einem gelernten russischen Oligarchen mit Wohnsitz im, ja klar — steuerbegünstigten Zug. In der aktuellen Forbes-Liste nimmt der geschäftige Dr. Victor mit schlappen 12 Milliarden Dollar den den, na? — 64. Rang ein. So kommt eines zum anderen: die Schachspieler versteuern günstig ihr Preisgeld und mit dem Zug von Zürich nach Cham geht es hin und zurück in exakt 64 Minuten.
Dr. med. Abzock
Der Abzocker vom Novartis beichtet dem staunenden Publikum rechtzeitig zum Ende der Abstimmungskampagne seine 72 Mio-Abfindung:
Schon ulkig, dass eben jener Manager, an dessen über die Jahre erhaltenen exorbitanten Boni-Zahlungen sich erst die ganze Abzocker-Debatte in der Schweiz entzündet hatte, nun kurz vor Abstimmungs-Schluss das mutmasslich entscheidende Eigentor schiesst.
Zeitschinder
Die Credit Suisse gab bei ihrer Bilanzpressekonferenz bekannt, die diesjährigen Bonus-Zahlungen bis kurz vor Ostern versteckt zu halten:
Da freut sich die wirtschaftsliberale Denkfabrik Economiesuisse, die so weiterhin recht ungestört mit Shock & Awe-Szenarien ängstigen darf.
Bankgeheimnis
Gegensteuer
Eine kleine feine Schweizer Privatbank übernahm nur allzu bereitwillig ab 2008 das aufgrund einer in den USA erhobenen Anklage gegen die UBS brachliegende US-Privatkundengeschäft. Und dies — notabene — ohne selbst eine Niederlassung in den USA zu betreiben, was bei einer Strafverfolgung nicht ganz unnützlich sein kann. Als die Amis dies mitkriegten und Ermittlungen gegen die Bank anstrengten, drohten sie alsbald mit harten Handelssanktionen, einer Art Sippenhaft bis hin zum Auschluss Schweizer Banken vom wichtigen US-Handelsplatz.
In der Folge wurde die älteste (!) Schweizer Privatbank eilig abgewickelt: das prekäre US-Geschäft wurde schleunigst in eine Bad Bank überführt und der gute Rest unter Zuhilfenahme einer Neugründung einfach an die hiesige Raiffeisenbank abgetreten.
Im Zuge der Affäre trat dann im Frühjahr 2012 der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Neuen Zürcher Zeitung zurück; war er doch in Personalunion zugleich geschäftsführender Miteigentümer («Wer Steuern zahlt, ist dumm.») der vordem kleinen feinen Privatbank…
* * *
Die NZZ jedoch bildet weiterhin die publizistische Speerspitze des Paradeplatzes und bietet als dessen unbeugsames Kampfblatt ihrem Redaktor Beat Gygi die Plattform für einen mehr als polemischen Kommentar zum anhaltenden Steuerstreit mit dem Grossen Kanton:
Dass eine einigermassen liberale Regelung für den Umgang mit «altem» deutschem Vermögen in der Schweiz derart schwierig ist, hängt stark damit zusammen, dass in Deutschland eine andere Art von Demokratie und ein anderes Verständnis vom Staat dominieren als in der Schweiz. Das ursprüngliche Steuerabkommen wurde primär mit Vertretern einer Regierung ausgehandelt, die die politische Mitte und angrenzende linke Segmente vertritt. Mit diesen Politikern war ein Kompromissvorschlag möglich, der der Privatsphäre der Bürger und ihrem Schutz vor allzu dreistem staatlichem Zugriff einigermassen Rechnung trägt.
Einigermassen liberal, aha — neo-liberal wäre gewiss genehmer. Dreist? Naja. Die Steuergesetzgebung der beiden Streithähne ist schon allein darum verschieden, weil die Staatsaufgaben anders verstanden werden. Dort Sozialstaat mit Ganztagsbetreuung, hier Eigenverantwortung und traditionelles Familienbild. Mit wechselnden Regierungen ändern sich zudem die politischen Zielvorgaben viel geschwinder, ganz im Gegensatz zur Allparteien-Regierung der Eidgenosschenschaft, wo unentwegt gemauschelt wird.
Der deutsche Scheinföderalismus, der den 16 Bundesländern keine echte Steuer- und Ausgabenverantwortung zugesteht, sondern eher als Lizenz zum Mitmischen im oberflächlichen Umverteilungskampf zu sehen ist, führt aber dazu, dass die Länderkammer, der Bundesrat, plötzlich eine zentrale Rolle spielt. Die Linke, die die Mehrheit in dieser Kammer hat, nutzt die Gelegenheit nun offenbar, sich durch ein Nein zum Steuerabkommen für den Wahlkampf ideologisch zu profilieren. Aus deutscher Sicht kann dies teuer werden, das sozialistische Nein kann bedeuten, dass Deutschland erhoffte 10 Mrd. € plus «Jahresraten» nicht zukommen.
Scheinförderalismus? Oha, die Bundesrepublik ist aber nun mal förderal strukturiert. Nicht ganz so kantönlikleingeistig comme ici, aber immerhin, es gibt auch drüben zwei Kammern und das ist durchaus gewollt. Einen absurden Steuerwettbewerb mit der hierzulande üblichen Krassheit, welche die Zersiedlung der Landschaft und die Entstehung von Millionärs-Ghettos befördert, gibt es dort trotz bestehenden Nord-Süd-Gefälles tatsächlich nicht. Und die SPD ist jetzt plötzlich sozialistisch? Potzblitz, da tönt ja jemand mächtig säuerlich, vielleicht weil der Ablassbrief nicht wunschgemäss ausgestellt wird?
Dabei springt ins Auge, dass ein rational kaum fassbarer Kampfbegriff wie «Gerechtigkeitslücke» als Hauptargument zur Ablehnung dienen kann. Gerechtigkeit scheint aus dieser Sicht eine Staatsaufgabe zu sein, und offenbar soll diese in Form von Gleichmacherei ziemlich totalitär durchgesetzt werden.
Kampfbegriff? Gut, in Zeiten der Globalisierung herrscht Wirtschaftskrieg an allen Fronten. Die Wortschöpfung Gerechtigkeitslücke aber ist doch metaphorisch gut gelungen und sehr eindrücklich. Mag die schwer rationale Schweizer Zunge kein Wort schöpfen? Gerechtigkeitslücke strikes!
Und überhaupt: Gerechtigkeit ist keine Staatsaufgabe? Gottgegeben vielleicht? Oder wird sie von Banken kreditiert? Womöglich als reine Selbstgerechtigkeit à-les-riche? Soziale Gerechtigkeit scheint hier ein Fremdwort zu sein. Totalitäre Gleichmacherei? Oh my god, the commies are coming! Wenn in einem Land fiskalische Gesetze für alle Staatsbürger gelten sollen, so kann man keine Ausnahmeregelung gestatten, nur weil besonders Gierige ihr Scherflein mit Hilfe von sich dem Verdacht der Beihilfe aussetzenden halbseidenen Vermögensberatern sanft in Steueroasen betten und die Oase selbst im Grunde als Raubritterburg fungiert und profitiert. Krawallerie!
Die schillernde Rolle der offiziellen Schweiz hat solche Taktiken allerdings begünstigt. Der Bundesrat, etwa Eveline Widmer-Schlumpf, hat in jüngerer Zeit den USA und europäischen Verhandlungspartnern praktisch signalisiert, die Schweiz habe eine etwas flexible Linie und werde immer ein Schrittchen nachgeben, wenn der Druck wachse.
Mönsch Beat. Schlumpfs Vorgänger und Bankenlobbyist wurde bereits vor über vier Jahren aus der Regierung gewählt; er hat eine Haussuchung just hinter und ein Strafverfahren noch vor sich, doch auf seine Nachfolgerin wird wegen der von ihr aufgegleisten Weissgeldstrategie und aus schierer Rachsucht noch immer feste eingeprügelt. Derweil die USA die finanzpolitischen Daumenschrauben bis hin zur Schmerzgrenze anzogen, verhandelt der Grosse Kanton immerhin tapfer weiter.
Die NZZ dagegen gibt sich gemeinsam mit der SVP als radikal fundamentalistischer Hort, wo «…die Werte der freien, unabhängigen, neutralen Schweiz, die sich nicht schämt, gegenüber dem Ausland stets den Fünfer und das Weggli zu verlangen» bedingungslos verteidigt werden.
Warum nur löst sich die Eidgenossenschaft nicht endlich aus den Händen der helvetischen Banken-Maffia, die ihr Ansehen zusehends ramponiert? Der Banken-Lobby ist es über die Jahre hinweg gelungen, das Land quasi zur Geisel zu nehmen und das Bankgeschäft gleichwohl als ein dem Gemeinwesen dienendes und daher absolut schützenswertes nationales Symbol darzustellen.
Und dabei entrichten die einheimischen Banken teilweise nicht einmal Steuern! Fürwahr parasitäre paradiesische Zustände.
Frischgeld
Bekanntlich verwandelt das Schweizer Bankenwesen nur unter grossem Aussendruck Schwarzgeld in Weissgeld. Zur Belohnung gönnt man sich dafür in Bälde Frischgeld. Etwas eigenartig ist hierbei, dass der bei einem Ideenwettbewerb eigentlich zweitprämierte Entwurf überraschend die vorläufige Druckfreigabe erhielt.
Dabei reichte der ursprüngliche Sieger des Wettbewerbs knackig poppige Notenblätter ein. In Zeiten von Plastikgeld und Cybercash trüge man solch angehübschte Fetische doch ganz gerne als papierne Preziosen im Portemonnaie, n´est-ce pas?
Auszug aus Karl Walker, Das Geld in der Geschichte, Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959:
«Als der Sonnenkönig Ludwig XIV. 1715 starb, waren in Frankreich allein die jährlichen Zinsen für die Staatsschuld schon größer als die laufenden Staats-Einnahmen. Der Regent Herzog Philipp von Orleans, der den unmündigen Knaben Ludwig XV. vertrat, fand keinen Rat mehr. In dieser Zeit hatte John Law einigen europäischen Höfen phantastisch anmutende Finanzierungsprojekte unterbreitet, war zuerst abgewiesen, dann aber in Frankreich doch herangezogen worden. John Law, ein Mann von schottischer Herkunft, im Bankwesen bewandert und weit gereist, bekam die Erlaubnis zur Errichtung einer privaten Kreditbank, die bald schon zu einer Staatsbank umgewandelt wurde. Diese Bank gab Zettel aus, von denen Law zunächst nicht mit Unrecht sagte, dass sie genau so gut wie Metallgeld für Zahlungszwecke benutzt werden könnten. Nach seiner Theorie sollten diese Zettel durch den Grund und Boden gedeckt sein, womit der eigentliche und bleibende Wert des Landes beweglich gemacht und in Umlauf gebracht würde. Das Papiergeld sei sogar wertbeständiger als das Silber, „denn die Länder bringen herfür, aber das Silber ist schon hervorgebracht“, und die Landgüter können keine von ihren Nutzungen verlieren, aber das Geld kann sein Gepräge verlieren“. In der praktischen Handhabung richtete man sich jedoch nicht nach diesen Grundsätzen. John Law beugte sich sofort dem Finanzbedürfnis des Staates und räumte ihm ein, dass er auf Grund seines eigenen Kredites – also ohne Grund- und Boden-Deckung – solches Papiergeld ausgeben könne. Bereits im Jahre 1718 wurden seine Zettel Staatspapiergeld. Da in Frankreich um diese Zeit dank der Verschwendung des Hofes Geldmangel herrschte, brachte das Papiergeld wirklich eine Erleichterung. Handel und Gewerbe blühten wieder auf und der Zinsfuß sank.
Inzwischen hatte John Law außerdem eine weitere Gründung vollzogen, die „Mississippi-Compagnie“, eine Handelsgesellschaft auf Aktien, die die Kolonisierung Kanadas und der Länder am Mississippi bezweckte. Diese beiden Operationen zusammen brachten einen ungeheuren spekulativen Aufschwung. Die Staatsbank gab Geld aus, Gewerbe und Manufakturen blühten auf, zahlloses Volk aus aller Welt strömte nach Frankreich und nach den französischen Kolonien. Bis zum Mai 1720 wurden nach einem eigenen Bericht von John Law „500 ganz große Schiffe erbaut oder gekauft, nicht zu sprechen von den Brigantinen und Fregatten, um den Strom von Auswanderern nach dem an Metallen, Seide und Spezereien reichen Louisiana zu bringen.“ – Aber die Notenpresse der Staatsbank war nicht mehr aufzuhalten. Der Herzog von Orleans soll mehr Geld haben drucken lassen als John Law überhaupt wusste. Schließlich waren es 3,7 Milliarden Livres. Und so, wie das Geld vermehrt wurde, stiegen die Preise – sie stiegen so rasch, dass die Produktion bei aller Emsigkeit nicht mehr nachkommen konnte. Die Mississippi-Aktien stiegen mit und waren in wenigen Jahren von 500 auf 18 000 Livres geklettert! – Dann aber kam es beim Rückfluss der Noten zur Ernüchterung. Die Bank konnte die Zettel nicht einlösen, die gewaltige Papiergeld-Masse aber auch nicht im Umlauf lassen. Jetzt war guter Rat teuer. John Law wurde vom Regenten mit größerer Vollmacht ausgestattet, zum Generalkontrolleur der Finanzen ernannt und versuchte nun von dieser Basis aus, sein System mit Willkürmaßnahmen zu retten. Der Wert von Gold und Silber wird plötzlich nach dem Bedürfnis der Bank verändert; man befiehlt die Ablieferung von Edelmetallen, der Besitz von Kleinodien wird unter Strafe gestellt, die Herstellung von Tafelsilber wird untersagt, ja, sogar der Besitz von Bargeld, soweit er über 500 Livres hinausginge, sollte nicht mehr erlaubt sein. Da das aber alles nichts half, wagte Law schließlich die einzig vernünftige Maßnahme, den Wert seiner Bank-Zettel auf die Hälfte herabzusetzen. Der Erfolg war jedoch – in der damaligen Zeit war man so etwas noch nicht gewohnt -, dass ganz Frankreich in schäumenden Aufruhr geriet; das Gesetz musste sofort zurückgenommen werden. John Law konnte sich durch heimliche Flucht retten.» (weiterlesen)
Artenschutz
Grossbanken müssen ihren Zinshunger laufend befriedigen und wachsen tendenziell unersättlich weiter. Eine kritische Masse ist erreicht, wenn deren Wertschöpfung buchhalterisch diejenige ihres Heimatlandes übersteigt und ein möglicher Kollaps der Bank den Staatshaushalt zu gefährden droht. Der Staat sieht sich in der Folge quasi genötigt, einen Bestandsschutz zu garantieren. Kapitalistische Selbstregulierung.
Die Championsleague der systemrelevanten Grossbanken firmiert nach einer G20-Absprache neuerdings als G-SIFIs (Global Systemically Important Financial Institutions). Die Politik setzt brav die Vorgaben der Finanzwirtschaft um — für das Spielresultat haftet die Gesellschaft. Der quantitative Umschlag hat bei den Zockerbuden absurde Qualität erzeugt. Brecht hat Recht.
Die bestehende Artenschutzliste umfasst 29 Spielstätten und allesamt befinden sich auf der Nordhalbkugel:
Bank of America* (USA)
Bank of China (China)
Bank of New York Mellon* (USA)
Banque Populaire (Frankreich)
Barclays* (Großbritannien)
BNP Paribas (Frankreich)
Citigroup* (USA)
Commerzbank (Deutschland)
Crédit Agricole (Frankreich)
Credit Suisse (Schweiz)
Deutsche Bank (Deutschland)
Dexia* (Belgien)
Goldman Sachs* (USA)
HSBC* (Großbritannien)
ING (Niederlande)
JP Morgan Chase* (USA)
Lloyds Banking Group* (Großbritannien)
Mitsubishi UFJ (Japan)
Mizuho (Japan)
Morgan Stanley* (USA)
Nordea (Schweden)
Royal Bank of Scotland* (Großbritannien)
Santander (Spanien)
Société Générale (Frankreich)
State Street (USA)
Sumitomo Mitsui (Japan)
UBS* (Schweiz)
Unicredit (Italien)
Wells Fargo* (USA)
Der Tabellenvorletzte schwächelt bereits bedrohlich und braucht 7.500.000.000 € Soforthilfe, bleibt dank der Artenschutzliste aber unabsteigbar.
Und wo schaffte eigentlich der neue UBS-CEO zuvor an?
Richtig.
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Weissgeldstrategie
Auf CH-Banken geparktes Schwarzgeld rein zu waschen, dauert schon etwas. Einigen teutonischen Anlegern zu lange, und so versuchen sie ihr eingeschafftes Vermögen wieder auszuschaffen, bevor es Zwanzig 13 schlägt oder herber Griechischer Wein den Kurs weiter verwässert.
Die Schweizer Bankster zahlen aber mittlerweile nur noch bescheidene Bar-Beträge aus, weil sie fürchten, den mit dem Grossen Kanton ausgemauschelten Ablasshandel aus der eigenen Schatulle alimentieren zu müssen.
Leutselig getraut sich der nach der milliardenteuren Londoner Zocker-Nullnummer vorerst interimistisch eingesetzte UBS-Chef Ermotti halbwegs Eier zu zeigen, anstatt wie gewohnt weiter herumzueiern:
«Die Schweiz ist reich geworden durch Schwarzgeld. Wenn wir überall einen Schwarzen Peter verteilen würden, wo unversteuertes Geld drin ist, wäre die ganze Bahnhofstrasse voll von Schwarzen Petern.»
Von einem der ihren blossgestellt zu werden, ist fast schon ketzerisch und getroffen jault das hiesige Finanzestablishment auf. Alle Hoffnung gilt nun der baldigen Ankunft des Messias am Paradeplatz. Insiderwissen wird der schiffsflüchtige Ex-Oberbankster von der Deutschen Bundesgang für die 2 Mio. Handgeld (plus Salär, plus Aktienpaket, plus Bonus) schon genügend mitbringen, um den Strategiewechsel profitabel zu deichseln.
Aus Schwarz wird Weiss, Hauptsache die Kohle bleibt hier.
Weltspartag
Gutbürger
Bei der symbolischen Okkupation des Paradeplatzes waren von den Neunundneunzigprozentigen zeitweilig immerhin 1000 selbst entfremdete Warencharaktere in der Schweizer Metropole beteiligt.
Der Paradeplatz ist für Zürich das, was Wall Street für New York City ist: ein lokales Sinnbild für die globale Hochfinanz. Übers Wochenende liess man generös das bunte Treiben gewähren, selbst die Tramlinien wurden am Nahverkehrsknotenpunkt effizient umgeleitet. Rechtzeitig zum Schichtbeginn der Bankster am Montagmorgen aber wurde von der staatlichen Exekutive der Abzug der unzufriedenen aber friedlichen Besetzer durchgesetzt.
Der aktuell aufkeimende internationale Protest einer zunehmend von Verarmung bedrohten Mittelklasse wird verständlicherweise hauptsächlich vom politisch und finanziell frustrierten Bürgertum sowie dessen Ablegern getragen und kommuniziert. Falls nun zusätzlich auch noch das gemeine Proletariat aus der Unterschichtenfernsehdämmerung heraus ins Dasein bestimmende Bewusstsein finden sollte, könnte eventuell die Revolution tatsächlich live übertragen werden…
Hier in der Schweiz finden kommenden Sonntag ganz in Ruhe und völlig systemkonform die eidgenössischen Parlamentswahlen statt:
Piraten und Powerpointgegner — vereinigt Euch!