Värslischmid

Hans Peter «Mani» Matter (* 4. August 1936; † 24. November 1972)

Der noch immer bekannteste Schweizer Mundart-Liedermacher verunglückte vor 50 Jahren auf der Autofahrt zu einem Konzert in tödlich. Kurz zuvor stellte der begabte Troubadour das Libretto zu seiner Anti-Oper namens «Der Unfall» fertig, worin ein Fussgänger überfahren wird, weil dieser – völlig in Gedanken an eine verpasste Musikkarriere versunken – unachtsam eine Fahrbahn kreuzt.

Matter hat die der heimatlichen Folklore verbundene Berner Mundart mit viel sprachlichem Geschick zu einer dichterisch vielseitigen Ausdrucksform verwandelt, mittels der man durch semantische Verkürzung mit wenig viel sagen kann. Zudem steckt sich in seinen Versen oftmals ein brillanter Wortwitz, der durch humorvolle Entlarvung vom Menschen und seinen Nöten eine Art katharsische Befreiung durch lauthalses Lachen gewährt. Merssi viu mau!

Was ist das Ziel?

Es ist November und der Regen
kriecht durch die Kleider auf die Haut.
Ich geh alleine auf den Wegen
die mir vom Sommer her vertraut.
Wem wohl die kalten Tage nützen?
Was gestern lebte ist heut taub.
Und in den schmutziggrauen Pfützen
ertrinkt der Bäume welkes Laub.
Was ist das Ziel in diesem Spiel,
das der Natur seit je gefiel?
An ein paar Zweigen hängen Blätter,
die heut Nacht der Wind vergaß.
Den Pavillon versperren Bretter,
wo manches Liebespärchen saß.
Sogar die Nester in den Bäumen
sind ohne Leben, ohne Sinn.
Und mir alleine bleibt das Träumen,
weil ich ein Mensch mit Träumen bin.
Was ist das Ziel in diesem Spiel,
das der Natur seit je gefiel.
Ich bin auf einmal so alleine,
wo ist das Glück, das hier begann?
Die kahlen Bäume und die Steine
die schaun mich durch den Regen an.
Ich suche oben in den Sternen
ein wenig Trost für mein Geschick.
Doch der, der Trost sucht, sollte lernen,
er ist vergänglich wie das Glück.
Was ist das Ziel in diesem Spiel,
das der Natur seit je gefiel.
Doch aus Verzweiflung wächst das Hoffen,
das uns die Kraft zum Atmen schenkt.
Zwar bleiben viele Wünsche offen,
weil irgendwer das Schicksal lenkt.
Solange hier bei uns auf Erden
man einen Hauch von Leben spürt,
sorgt das Schicksal für das Werden
und gibt das Glück, wem Glück gebührt.
Das ist das Ziel in diesem Spiel,
das der Natur seit je gefiel.

[Lied Alexandra 1968, Bild Joken 2022]