Für 756 Pfannkuchen braucht man 22 Kilogramm Mehl und 189 Eier. Das zumindest erzählte Melinda Nadj Abonji anlässlich ihres Auftritts im St. Jakob, wobei sie geräuschvoll von Bals Nill unterstützt wurde.
Der soldatische Koch hatte aber nur 170 Eier zur Hand, und Probleme, die Eier zu trennen, hatte er auch, aber Befehl ist Befehl und befohlen waren 756 Pfannkuchen. Das Dilemma wurde nicht aufgelöst, vielleicht findet sich die Lösung im nächsten Buch von Frau Nadj Abonji, aus dem sie eben jenen humorigen Auszug vortrug.
Der Rest der Veranstaltung aber wurde ernst und zu einem linguistischen Seminar, indem anhand einer Bibelstelle der Glaube an das Wort thematisiert wurde. Auf Befehl glauben quasi. Obey-Thematik also. Sprache als Aktion, Sprache als Macht. Die Sprechaktheorie nach Austin besagt, dass man etwas tut, indem man etwas sagt («How to do things with Words»). Melinda zitierte in der Folge aus einem längeren Wortwechsel mit dem Philosophen Sreten Ugričić, dem Urheber von Meadyrade.
Mir schwirrte alsbald etwas der Kopf, weil zusätzlich Raumkontrolle und Zuspätkommer stören immer. Dazu mitten in der Vorlesung ein sanitärer Schaden im Kundenbereich, welcher zwar zu beheben war, doch die Konzentration blieb anschliessend im Orkus. Ausserdem waren drei Kleinkinder im Saal, die ich zwar mit einer Spielbox zu besänftigen versuchte, deren Langeweile aber offensichtlich ebenso gross wie die Kirche selbst war. So verpasste ich leider die Quintessenz des intellektuellen Diskurses und bekam nur noch mit, wie Melinda abschliessend sagte, wie sehr es ihr Spass mache, sich gerade in dieser Zeit mit Bibel-Texten sprachtheoretisch zu befassen. Amen.
So blieb mir die Erkenntnis, dass die Endorphinausschüttung diesmal besonders heftig ausfiel, weil das sonntägliche Zirkeltraining die kleinen grauen Zellen ungemein anregte. Fünf Blitzpartien im Online-Schach sind nichts dagegen und das übliche Lobpreisen und Beten ist nur blosse Litanei ohne das Hochfahren der Denkapparatur. Sprechen ist Handeln und Glaube versetzt Berge.
Ach ja, das 2010 zurecht preisgekröntes Buch der serbisch-ungarischen Schweizerin ist immer noch gut. Es geht darin um Entwurzelung und fast zur völligen Unsichtbarkeit führender Assimilation. Und sowieso stellt Jurczok1001 klar:
«Wir sind alle suchend, besorgt, ängstlich, voller Energie, wir schwitzen alle mehr oder weniger, und wir sind alle nicht wirklich zu Hause. Wir glauben nicht an den Schweizer, an den Jugo, sondern an offene Ohren. Wir glauben nicht an Information, sondern ans Zuhören, ans Erzählen. Und der Kopf, er kann selber denken. Und das Herz, es kann mitfühlen.» (http://daslebenistausland.net/)