Wahlschocker

Der Rechtsruck bei den anstehenden Schweizer Parlamentswahlen wird zwar moderat aber dennoch spürbar werden. Den konservativen Sonderweg in jene isolationistische Sackgasse, in der kleinstaatliches Rangieren immer umständlicher wird führt Ruth Schweikert in einem aktuellen Essay auf eine in mythischer Vergangenheit verorteten Fetischisierung zurück. Zeitgemässer sei vielmehr die Diskrepanz zwischen Utopie und Realität zu entschärfen, und «den utopischen Moment wieder in eine Zukunft zu transformieren».
Seit über 25 Jahren schafft es eine eigentliche Klientelpartei sich dank stramm national auftretender Knallchargen als allein seelig machender Gralshüter des Mythos Schweiz zu positionieren und leider verfängt gerade bei Jungwählern zunehmend die immanente Angstmache. So hat der Parlaments-Kandidat Glarner bereits früher solch griffige Reime wie «Maria statt Scharia» ersonnen und bedient gewohnt kurzbündig abendländische Ängste im Aargau.

Kopf ab, SVP, Wahl Schweiz 2015, Glarner, Kandidat Aargau Nationalrat,

Fremde Vögte stünden ohnehin lauernd parat, um dem Schweizer Volk seine Freiheit und der Jugend ihre Zukunft zu rauben, weiss der Kandidat und Glarner will nicht nur darum die Schweizer Armee künftig auf 500 000 Wehrdienstleistende verdreifacht wissen — schliesslich sei der Dschihad selbst innerhalb der Eidgenossenschaft längst Realität.

Kopf ab, SVP, Wahl Schweiz 2015, Glarner, Kandidat Aargau Nationalrat

Offensichtlich ist der Paranoiker aus dem Aargau völlig gaga und mich ärgert wiederum, auf solch plump vorgebrachte Anmache in Pawlowscher Manier reflexartig sabbelnd zu reagieren. Dabei ist der Aargauer längst unter uns.

Blauheit

Am 23. September erreicht unsere Sonne den Wendepunkt der laufenden Saison und wird der Königin der Nacht das Zepter zumindest vorläufig überlassen. Nach 89 Tagen Herbst folgen 88 Tage Winter, bevor im März die Sonne sich wieder spürbar erhebt und alles neu belebt.

Cyanometer, Farbenskala, Coleur du Ciel,Color of Heaven, Himmelsfarbe

Mit Hilfe eines nach Horace-Bénédict de Saussure rekonstruierten Cyanometers können wir derweil dank des noch vorhandenen Restlichtes weiterhin akkurat die Himmelsfarbe bestimmen und damit indirekt den Anteil des Wasserdampfes in der Atmosphäre. Die Farbe des Herbstanfanghimmels in Zürich war heute laut Skala zwischen 1 und 2, recht blauarm somit äusserst feucht.

FdGO > Gott

(…) Viele Menschen, die jetzt zu uns kommen, werden mehr lernen müssen als nur die deutsche Sprache. Wir müssen ihnen den freiheitlichen Besitzstand unseres Landes vermitteln – und zwar nicht irgendwann, sondern vom ersten Tag an. Jeder Flüchtling sollte auf dem Kopfkissen seines Betts im Notaufnahmelager einen Willkommensbrief in seiner Sprache vorfinden.

Ein klarer Willkommensbrief für alle Flüchtlinge

„Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann, willkommen in Deutschland! Viele von Ihnen haben Schreckliches durchgestanden: Krieg, Lebensgefahr, eine gefährliche Flucht durch die halbe Welt. Das ist nun vorbei. Sie werden in Deutschland weder hungern noch dursten noch frieren noch um ihr Leben fürchten müssen, denn Deutschland ist ein reiches und friedliches Land.

Gegen die kleine Minderheit von Deutschen, die Gewalt gegen Flüchtlinge anwendet, wird dieser Staat mit aller Härte seiner Gesetze vorgehen. Dass Deutschland ist, wie es ist, verdanken wir nicht nur, aber auch Gesetzen, Regeln und Konventionen, von denen sich manche deutlich unterschieden von jenen, die Sie aus Ihrer alten Heimat kennen. In diesem Land, so hat es viele Jahre vor Angela Merkel einst ein anderer deutscher König gesagt, darf jeder auf seine Art glücklich werden.

Viele der Regeln, die bei uns gelten, sind im sogenannten Grundgesetz nachzulesen. Das Grundgesetz steht bei uns über dem Koran, der Bibel oder jedem anderen Buch, und sei es noch so heilig. Eine Übersetzung des Grundgesetzes in Ihre Sprache liegt am Heimeingang aus, gleich neben den Stapeln mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948, die wir dort ebenfalls in vielen Sprachen für Sie bereitgestellt haben.

Wir können hier nicht auf alle deutschen Gesetze, europäischen Werte und allgemeinen Regeln eingehen, weshalb wir nur einige Beispiele aufzählen, die wir vor allem unsere männlichen Leser aufmerksam zu studieren bitten:

Bei uns sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Das beginnt schon in der Schule, wo Mädchen selbstverständlich am Schwimmunterricht und an Klassenfahrten teilnehmen. Und sollten Ihre Töchter oder Schwestern später mit einem Mann zusammenleben wollen, der einer anderen Nation oder Religion angehört, dann ist das in Deutschland kein Verbrechen.

Wenn Sie, liebe Väter oder Brüder, Ihre volljährigen Töchter oder Schwestern hingegen gewaltsam daran zu hindern suchen, ihr Leben so zu leben, wie sie das wünschen, dann ist das durchaus ein Verbrechen. Dafür kann man in Deutschland ins Gefängnis kommen.

Vergessen Sie am besten alles, was Sie in Ihrem Land über „Ehre“ oder „Schande“ für die Familie gehört haben – die meisten dieser Vorstellungen gelten bei uns nämlich nicht, manche sind sogar verboten. Es ist in Deutschland übrigens auch erlaubt, dass Männer Männer oder Frauen Frauen lieben und gemeinsam eine Familie gründen. Niemand kommt deshalb ins Gefängnis.

Die meisten von Ihnen teilen solche Auffassungen vom Zusammenleben der Menschen gewiss ohnehin, denn Sie sind ja zu uns gekommen, um endlich in Frieden und Freiheit zu leben. Sollten Sie diese Ansichten jedoch ablehnen, ist es besser, wenn Sie unser Land rasch wieder verlassen – denn Deutschland kann und will keine Heimat sein für Menschen, die sich diesen Regeln nicht beugen.

Da können wir leider null Toleranz zeigen. Mit herzlichem Gruß, Ihr Deutschland.“

Formulierungsvorschlag von Michael Martens in der FAZ vom 14.9.2015 – merci Fee P.

In vino veritas

Der römische Historiker Tacitus beschrieb, wie Germanen bei Ratssitzungen immer Wein tranken, weil sie glaubten, niemand könnte effektiv lügen, wenn er betrunken ist.

Trotz offensichtlich erdrückender Beweislast gelang es der langjährigen Präsenzdienstleistenden B. W. zum wiederholten Male eine Flasche Abendmahlwein aus den Kellereien des Offenen St. Jakob in Zürich zu transferieren. Mit der recht fadenscheinigen Begründung den karitativen Zwecken zugute kommenden Flascheninhalt bloss einem meditativen Maxen hinterher tragen zu wollen und aus Krankenschwestersicht alkoholfreier Traubensaft den Blutzuckergehalt sowieso weitaus adäquater symbolisiere, passierte B. W. in gewohnt aufrechter Haltung die Hochsicherheitsschleusse der Jakobsfeste.

Messwein, Abendmahlwein, St. Jakob, Abendmahl

Richtig Chuzpe bewies B. W. dann aber auf dem direkt nach diesem Zwischenfall stattfindenden Jakobinischen Forum, auf welchem sie glaubwürdigen Zeugenaussagen nach relativ nüchtern sinngemäss die Frage «Aber wo ist Jesus?» stellte. Ob sie damit einen imaginären Flaschengeist meinte, oder die Veranstaltung lediglich vom Kopf auf die Füsse stellte, bleibt weiter ungeklärt.