Volksdemokratur

Die direkte Demokratie in Helvetien erlaubt zu fast allem und jedem ein völkisches Begehren. Diese werden dann gebündelt dem Volke vorgelegt. Am 8. Februar 2009 wird somit neben der überkantonalen Freizügigkeit schwarzer Raben (siehe hier) unter anderem auch ein „Stapi“ (Stadtpräsident = Bürgermeister) für Zürich gesucht. Dazu kommen Neuwahlen von Friedensrichtern, Abstimmung über eine Parknutzung sowie die Abschaffung der Pauschalsteuer für Millionarios im Kanton.

Eine augenfällige Bewerbung gibt es von der Stapi-Kunigunde:

kunigunde_demokratur

Die spinnen, die Kandidaten.

Unilateral

Eigentlich sollte die Schweizer Volkspartei (SVP) überhaupt kein Thema (wert) sein. Doch dann stiess mir leider deren aktuelles Machwerk in Plakatform böse auf. Dass es mir überhaupt auffiel, spricht werbetechnisch durchaus für die laufende Kampagne. Bewährt hetzt die SVP klassisch in Schwarz auf Rotweiss:

Plakate_Raben

Mit Hilfe der schwarzen Vögel polemisiert die SVP gegen den Fortbestand der bestehenden bilateralen Verträge mit der EU, welche im Wesentlichen die Personenfreizügigkeit und den Beitritt zum Schengenabkommen beinhalten und am 8. Februar 2009 zur Volksabstimmung anstehen.

Der rechtsgerichteten SVP gelang in den vergangenen Jahren ein rasanter Anstieg in der Wählergunst. Bei der Nationalratswahl 2007 war sie mit 28,9 Prozent Stimmenanteil die mit Abstand stärkste Partei; seit 1919 hat in der Schweiz keine Partei mehr einen derart hohen Stimmenanteil erreicht. Dreist und populistisch schürt die SVP geschickt die in der Bevölkerung vorhandenen Ängste mit selbst für hiesige Verhältnisse ziemlich derben Stammtischparolen und fremdenfeindlicher Schweiztümmelei. Durch diese national gefärbte Demagogie hat es die Blocher-Clique geschafft ihren prozentualen Stimmenanteil von 1991 bis heute fast zu verdreifachen.

Eine Auswahl propagandistischer Tier-Versuche:

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Das berühmt-berüchtigte Motiv wurde durch folgenden Gag noch zugespitzt:

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Tapfer stemmt sich die SVP schon immer gegen die drohende Globalisierung:

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Noch schwärzer und deutlicher werden die wahren Schuldigen entlarvt:

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Und fast schon unfreiwillig komisch wirkt dieser Hilferuf von 2003:

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Die grenzenlose HeimatTierliebe der SVP gipfelt in einem Zweck-Bündniss mit den Teletubbies, um gegen die drohende feindliche Übernahme der Eidgenossenschaft anzustrampeln. Der steppende Knecht Ueli wurde im Dezember 2008 dann tatsächlich zum bislang letzten Mitglied der Schweizer Regierung gewählt und wird nun als Verteidigungsminister dem Ausland den Krieg erklären.

Natürlich sind die Kameraden von der SVP auch sonst immer mega lustig und fidel.

Brabbelkiste

Die Signer-Ausstellung in Zürich kommt mir ganz passend daher, da ich die meisten Filme seiner Werkschau in Berlin leider verpasst habe, weil die Wachhabenden dort partout den Hamburger Bahnhof um 18h schliessen – für mich ein damals etwas überraschendes Ende im Untergeschoss.

Im Rahmen der Zürcher Präsentation war für den gestrigen Abend die Veranstaltung „Roman Signer beantwortet Fragen an Roman Signer“ im Helmhaus angekündigt. Während der Ausstellung wurden Hunderte Fragen von Besuchern gesammelt, diese geschüttelt und gesiebt und schliesslich immerhin 70 davon innert einer Stunde abgehandelt. Wegen des grossen Andranges wurde die Fragestunde in eine benachbarte Kirche verlegt, wo geschätzte 250 Leute Platz fanden.

Im Chor der Wasserkirche erspähte ich vor Beginn der Andacht eine Holzkiste mit einer aussen angebrachten kupfernen Flüstertüte. Aus der Ferne betrachtet – ich fand gerade noch in der vorletzten Reihe Platz – sah das Objekt aus wie ein Lautsprecher. Genau, Membran und Resonanzkörper, ganz eindeutig. Allerdings mass ich der mannshohen Kiste keine allzu grosse Bedeutung bei.

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Hingebungsvoll erwartete ich den Auftritt des Meisters, damit der die heutige Abendmesse zelebriere. Nach einer schweizerischen geringen Verspätung trat die Kuratorin auf und erklärte, dass die Dauer des Frage- und Antwortspieles auf 60 Minuten beschränkt sei, erläuterte ferner dass sie die ausgesuchten Fragen stellen würde und ein mit Mikrophon bewaffneter Freund Signers die Antwort des Meisters für das Publikum über die Verstärkeranlage einvernehmlich wiederholen solle.

Also beugte sich die Kuratorin zu dem „Sprechrohr“ an der Holzkiste und sprach die erste Frage hinein. Kurz darauf war ein dumpfes Brabbeln zu hören, zumindest klang es von meiner vorletzten Warte aus so. Der Mikrophonmann beugte sich zum „Hörrohr“ und gab nach Ende des mir unverständlichen Gebrummels die Antwort der Öffentlichkeit preis. Dieses Prozedere wiederholte sich fortan immerzu. Einige Zuhörer verliessen alsbald den Ort der Verkündigung – hatten sie den hohen Priester etwa leibhaftig erfahren wollen? Ich studierte derweil die gotische Deckenkonstruktion der Kirche, lauschte dem Gebrabbel und den verstärkten Aussagen Signers und amüsierte mich bei manchen Fragen und Antworten laut lachend. Einmal blickte ich hinter mich suchend auf die Galerie, weil ich den Verdacht nicht los wurde, dass der abendliche Spassvogel sich vielleicht irgendwo versteckt hielt und alles (funktechnisch) nur inszeniert war. Das surreale Interview wirkte angenehm grotesk.

Erst nach der allerletzten Frage wurde das Rätsel und die Spannung gelöst, als nämlich die Kuratorin befand es sei nun genug der Fragen und die Stunde fast vorüber, nur wolle sie jetzt noch wissen, ob denn der Roman Signer nicht aus der Kiste kommen wolle. Gewiss, antwortete dieser, schliesslich verspüre er grossen Appetit und wolle gerne etwas essen.

signerkiste

Der Meister kam aus der Kiste, Applaus und Erleichterung im Publikum.