Die Nummer 2 und 3 der Schach-Welt bekamen in Zürich von einem russischen Diamantenhändler einen Match über sechs Partien spendiert. Neben Grossmeistern und vielen Kleinmeistern trafen sich die übrigen Enthusiasten im Festsaal vom Hotel Baur en Ville direkt am Paradeplatz.
Dem Hobbyschweizer war schon etwas wunderlich zumute, als er den mit Holzclogs bewehrten baren Fuss ins vielsternige Refugium setzte. Der Dresscode der ECU scheint glücklicherweise nur für Aktive zu gelten. Vor Ort wandelten zwei oder drei Oligarchenangehörige weiblicher Natur, die den Spielsaal modisch mit einem Ballsaal zu verwechseln schienen, was jedoch angesichts der Üppigkeit an Decken, Wänden und Boden sowie der Boutiquendichte an der Zürcher Bahnhofstrasse fast verständlich ist, und — aus der Holzschuhklasse betrachtet — der Veranstaltung ein durchaus passendes mondänes Flair verlieh.
Immer amüsant ist der Schnarcher, ein äusserst zuverlässiger Gast bei Live-Darbietungen der Denkartisten, der — kaum weggenickt — alsbald schonend aber bestimmt von seinen Nebensitzern wiederbelebt wird. Besonders ausdauernd war der Sesselpupser mit enormer Frequenz von hörbar laut entweichender Flatulenz, der während seiner Sitzung locker einen Gasballon hätte füllen können. Klingeltöne waren zahlreich und mannigfaltig; sie sind jedoch nur nervend und vor allem sehr unhöflich gegenüber den brütenden Maestri. Ganz besonders dämlich stellte sich die stadtbekannte Klatsch-Kolumnistin an, offenbar hat ihr Smartphone eher sie im Griff.
Den an Schachveranstaltungen unweigerlich auftauchenden Sonderling gab ein graumähniger Gast, der sich fortwährend die linke Gesichtshälfte mit einer Zeitung bedeckte. War jene von der üblicherweise bestens durchbluteten Ohrmuskulatur ausreichend angewärmt, wurde einfach eine Seite weiter geblättert und das Profil sogleich wieder dahinter versteckt. Ein wirklich ganz besonders eindrückliches Schauspiel!
Nach dem Ende der Partie wird deren Verlauf mit dem Gegner meist noch etwas analysiert, was in Fachkreisen ironiefrei post mortem genannt wird und selbst für die kleine Tochter des Ex-Weltmeisters völlig harmlos ist.
Die Partie dauerte fast fünf Stunden und war erst zäh, dann zunehmend spannend und kurz nach der Zeitkontrolle urplötzlich remis.
Draussen blühte derweil prall die Frühlingssonne.
Kramnik, Vladimir – Aronian, Levon
Zurich Chess Challenge, Partie 6
1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 Nf6 4.d3 Bc5 5.Nbd2 d6 6.c3 O-O 7.O-O Ne7 8.h3 Ng6 9.Re1 c6 10.Ba4 Re8 11.d4 Bb6 12.Bc2 h6 13.a4 Be6 14.Nf1 exd4 15.Nxd4 Bd7 16.f4 d5 17.e5 Ne4 18.Bxe4 dxe4 19.a5 Bxa5 20.Ng3 Bb6 21.Kh2 c5 22.Ndf5 Bxf5 23.Nxf5 Qxd1 24.Rxd1 Rad8 25.Be3 Rd3 26.Re1 f6 27.exf6 gxf6 28.Nxh6+ Kf8 29.Ra4 Rd5 30.c4 Rd3 31.b4? Rxe3! 32.Rxe3 cxb4 33.Rg3 e3?! 34.Rxg6 e2 35.Ra1 Bf2 36.Rg8+ Ke7 37.Rg7+ Kd6 38.Rxb7 e1=Q 39.Rxe1 Bxe1 40.Nf5+ Kc5 41.Rb5+ Kc6 42.Nd4+ Kc7 43.Rc5+ 1/2-1/2