Anreise
Die Südostbahn nach Locarno wegen Röhrenproblem im Gotthard wie üblich gut besucht. Am Urner See wurde einer Mitreisenden, die im Hang auf ihrem Koffer sass der eigene Sitzplatz angeboten. Sie um 10 Uhr erkennbar nicht ganz nüchtern, lehnte aber ab, da sie ihr Quantum Schnaps noch in Ruhe goutieren wollte. Litt wohl an Reisefieber auch.
Der Pronto Shop am Etappenziel hat täglich von 6 bis 23 Uhr geöffnet, Transitstrecke halt und praktisch für die Kalorienzufuhr. Auto Uri hat das Postauto ersetzt und die Frequenz auf Stundentakt erhöht. Leider aber entfällt nun der Transport der Milchkannen auf dem Anhänger; schade aber auch, Hänger wäre sicher praktisch für Velo-Verlad.
Obwohl die Kabine der Seilbahn mit nur sieben Personen (davon zwei Kindern) besetzt war, wurde die Frage nach einer Mitfahrgelegenheit mit einem kategorischen NEIN verweigert. An der Kabine ist die maximale Personenanzahl mit acht angeschrieben. Egal, die Gondeln waren fast non-stop unterwegs, da eine Hochzeitsgesellschaft oben feiern wollte. Mit einigen dazu eingeladen Twens, meist in Pärchenform, ging es dann nach oben, natürlich zu acht.
Reisestress
Oben wurden die Rinderherden sichtlich nervös und schon etwas erregt, als die Reisetasche wegen schierem Übergewicht auf Rollen den Pfad entlang donnerte. Die Reaktion der Bullenherde sorgte für eine gewisse Anspannung, da beruhigendes Zureden nicht half – es wurde munter weiter geblökt und von überall kamen immer neue Tiere im Galopp an den Weg, schauten und schnaubten.
Aber gut gibt es diese dünnen Bänder mit oder ohne Strom, welche meist rhythmisch schnalzen und die konditionierten Tiere tatsächlich auf kurze Distanz hielten. Auf dem etwas begrasten Mittelstreifen gewechselt machten die Rollen nurmehr gedämpften Lärm, die Tiere muhten nun nicht mehr, aber gaben weiterhin beidseitigen Geleitschutz der erst endete, als eine weitere Begrenzung der Weide erschien, auf die tapfer und zielsicher zugehalten wurde. Die Viecher blickten dem Störenfried noch lange nach, selbst als nach einem halben Kilometer der Hügel zum Ferienhaus erklommen wurde. Sicherheitshalber wurde die direkt vor dem Domizil liegende Jungbullen-Weide gar nicht erst nicht gequert, sondern wagemutig ein Stück Stacheldrahtzaun hochbeinig überstiegen. Doch was musste bei der Gepäckaufgabe festgestellt werden – die an den Henkeln der Rumpelkiste angebrachten Renegades waren weg! Fressen Rinder Lowa?
Durchreise
Keine allzu grossen Sorgen, war der grosse Bruder von Meindl ja ebenfalls am Start und fix an den Füssen montiert, da die Vollledernen schlicht zu schwer fürs Gepäck. Und sowieso stand noch ein Trip ins Reusstal an, da das am Bahnhof parkierte Velo noch abgeholt werden sollte. Und beim Abstieg siehe, beide Lowa nicht verfuttert sondern warteten brav nebeneinander am Wegesrand. Mit Auto Uri also wieder runter, vorbei am Tag der offenen Tür bei Weltmarktführer GIBO AG, der erstaunlich viele Ürner anlockte. Velo sprang sofort an und auch ohne Plan fand es den direkten Weg zum Tell-Denkmal, wo schräg gegenüber der Maroni-Mann balkanische House-Musik abspielte.
Rückreise
Tour retour dann eher Tortour – am See entlang alles leicht und flüssig, aber die 600 Höhenmeter reine Hölle. Vor allem im Kehrtunnel, wo die Motorfahrzeuge aufgrund der eigenartigen Akustik ein wahrhaft donnerndes Geräusch verursachten, welches wie zukommende Panzer tönte. Als später ein fetter Traktor plus Anhang einfuhr, kamen Gedanken an eine mächtige Lokomotive mit Panzerbegleitung auf. Oft musste eher gestossen als getreten werden, das Einkaufserlebnis wog schwer.
Endlich im Hauptort angelangt die notwendige Atempause zum kurzen Gang zum Fistbruder, der mit etwas Wasser in Kreuzform auf dem Grab geehrt wurde. Eigentlich war die 17 Uhr Gondel laut Marschtabelle geplant, doch der heftige Hungerast führte rasch zur völligen Erschöpfung. Tatsächlich wurde den ganzen langen Tag vergessen zu essen, und das ohne Frühstück.
Zwischenlager vielleicht ratsam
Die immerhin brutalen 3’600 Höhenmeter brutto trugen bestimmt auch noch ihr Scherflein zum dann doch überraschend rapiden Verfall des Kreislauf- und Stoffwechselsystems bei. Dafür konnte am Wasserloch an der Talstation das Flüssigkeitsdefizit etwas reduziert werden, da die 17.30er noch gemütlich abwärts schwebte. Aufgrund der hitzigen Ausdünstungen danach waren die Fenster der Kabine flugs beschlagen, obwohl die Gondel siebenfach unterbesetzt war.
Rückblick aus Gondel im Abendlicht auf Schlieren und Uri Rotstock
Heimreise
Oben dann die Hochzeitsgesellschaft im vollen Ornat, Fototermin in der Restsonne. Kurzes Grüezi im Alpbeizli, die Wirtin gab mir statt «mit» den sauren Most «ohne». War jedoch genau dir richtige Medizin für die Unterzuckerung. Labsal nur Hilfsausdruck. Auf dem Heimweg wurde dann im schwindenden Tageslicht Filmstar Aschwanden Sepp erblickt, der mit Sense in der Hand von einer der steilen Hänge abstieg. Beispiel für Mensch-Natur-Symbiose: Wildheuen könne man solange wie es das Wetter erlaube, also bis in den Oktober hinein. Interessant: Wildheuen beugt Lawinen und Erdrutschen vor.
Nach dem stärkenden Abendbrot dann einige vergebliche Suchläufe und die Überraschung im DAB-Empfänger: auf DLF tatsächlich ein Schweizer Idiom. Das wirklich tolle Hörstück mit und über den Schriftsteller Gerhard Meier wurde extra für den happy Hobbyschweizer ausgestrahlt. Es gibt sie also doch: pure positive Bergstrahlung!