Summertime

When the weather is easy

Warm, aber nicht zu warm. Dank Meteoblue keine gewittrigen Überraschungen am Scheitelpunkt und die gute Saisonvorbereitung waren Voraussetzungen für eine Testtour von Nidwalden über Uri ins Engelberger Tal. Die ersten Höhenmeter per Gondel, erstens weil Anreise. Und zweitens weil die «Zmorgegondeln» als Blickfang es wert, aber sowas von schräg sind: quasi im Loop vom Vierwaldstätter See mit der Rigi und dem Pilatus im Blick fast anderthalb Stunden lang rauf und runter fahren. Tatsächlich sassen da vor allem Pärchen drin und liessen sich Essen und Aussicht schmecken. Meine Gondel war Frühstücktischlos, doch während der Auffahrt sausten an die sechssiebenacht Liebesgondeln auf der Gegenspur vorbei. Willkommen im Heidiwitzka.

Sanfter Beginn, hinten schemenhaft die Mythen

Zmorge

Frühstück für unterwegs war vom Wandersmann in Bircher Art brav zuhause erst gebrüht, dann gerieben und schliesslich gerührt worden und spielte als Zusatztreibstoff beim Anstieg über die schwarze Piste die energetische Hauptrolle. Leider aber durften wegen der Tupperware die Grödel nicht mitkommen, was später schon noch etwas bereut wurde. Das eine Mal wo sie mit durften blieben sie aus reiner Faulheit im Rucksack, im bescheuerten Kunstschnee beim Endspurt auf die Diavolezza. Die neue Erkenntnis lautet 36 Liter Traghilfe mindestens bei Zweitagestour. Doch hinterher ist man immer schwerer.

Schwarze Piste

Auf der wandertechnisch langweiligen Piste kurz vor der Bergstation vom Skilift einen E-Biker gesprochen, der sich zwar weit rauf traute, aber kleinlaut meinte es ginge dort oben nicht weiter. «Schon peinlich» gab er zu, doch das Tagesmotto lautet Vorsicht und Langsam, was kundgetan und eine gutes Runterkommen gewünscht wurde, welches er schiebend, bremsend und quietschend alsdann in Angriff nahm. Mit dem Velo übern Pass gibts doch sonst nur im Reality-TV. Im Hochgebirge erstaunlich oft und scheinbar sogar zunehmend reichlich Naivität am Start. Ist akribische Vorbereitung etwa eine Alterserscheinung?

Rekognoszierung auch im letzten Anstieg kurz vor den vermaldeiten Schneefeldern Trumpf; die kurzen Begegnungen wurden nach dem Zustand und Gangbarkeit gefragt. Zwar ortet die Rega prima, doch solo immer Extraproblem. Dank Stockeinsatz und step-by-step gelang die zögerliche Traverse durch den nicht wirklich Vertrauen erweckenden Restschnee. Wenn schon Gipfel und ganze Berge gerne mal abrutschen warum nicht ein glitschiges Altschneefeld? Atmen, Konzentration, Augen auf und durch. Als Tipp im Fall: möglichst schnell Rückenlage mit Füssen voraus.

Mehr Restschnee als im ganzen Winter zu Züri

Hoch, aber nicht zu hoch

Oben alles prima. Der geplanten Gipfel blieb (reichlich Schneefelder!) rechts liegen. Aufgehoben ist nicht aufgeschoben meinte ich lapidar zu den Entgegenkommenden auf dem Pass, die mir wohltuend beipflichteten. Zudem hatte ich Stella ja versprochen am Stück heil retour zu kommen. Weil Montags in der Zeitung immer Nachlese in Sachen Leichtsinn. Dem ollen Schnee nach dem Pass nicht mit ganz soviel Respekt begegnet, weil Südwestseite und weniger steil. Wie bei Lawinenlage, Nord- und Osthang immer kritischer.

Blick aufs gelobte Land

Eng und kurvig dann der Pfad abwärts, das Hochtal bereits in Sicht. Linkerhand wurden Holzpflöcke für die Alpweiden eingeschlagen. Dumpfes Bumm-Bumm-Bumm, das ist Senn-Kultur; Latten hochtragen auf 2000, einzäunen Meter für Meter für gerade mal drei Monate. Pflöcke und Zaun wieder raus, weil Schneelast macht alles nieder und nach neun Monaten da capo. Unglaublich wie bald jeder Quadratmeter genutzt wird (das Urner Wildheuen ist wahrlich spektakulär) klar – hochsubventionierte Alpwirtschaft, trotzdem bleibt es harte Handarbeit in steilen Hängen.

Die Vorhänge sind schön kariert, aber hätte der Wegweiser nicht mittig am Fenster ausgerichtet werden können? Immer diese Nachlässigkeiten von der Landjugend.

Etappenziel

Der stramme Max à la Alp als Vorspeise nach dem Touchdown versöhnte und belohnte reichlich. Der Ausblick aus dem Zimmer verwies auf Segen und die nächste Etappe. Omen also gut. Drum die zwei importierten Cervelats lieber eigenmächtig an der Lieblingsfeuerstelle erhitzt, als die Halbpension gemeinsam mit all den anderen Endorphin getränkten Hobbyberglern auf der Hütte. Sowieso Massenlager no-go, Einzelzelle lebt. Der Dreiklang der Menuefolge im Berggasthaus tönte ehrlicherweise schon eine Liga höher als Holzfeuer und roch sicher anders auch. Doch Wurst ist Wurst und Most ist Most, manchmal ist die subjektive Wahrnehmung als Einzelgänger einfach passender.

Zaubertrank und Alpmax

Saisonsegen

Anderntags nach dem Frühstück kleine Testrunde, überraschend gute Beine (sicher wegen der Urner Bergkräuter, von denen selbst Süsszeugmacher Ricola profitiert) und das Restprogramm sollte locker zu schaffen sein. Also gleich den nächsten Zaubertrunk im Beizli geordert, bevor der Segen in der Betrufkapelle empfangen wurde. Hoch oben – im Bereich der schrecklichen Schneefelder, hinterlistigen Lawinen und gewaltigen Bergstürze wirkt der gesprochene Segen ganz besonders; fast schon hyperreal und doch authentische Wirklichkeit. Zudem nett und grosszügig, dass selbst kleine Berggänger aus dem Mittelland damit bedacht werden. Glaube versetzt Berge, besonders hier und sowieso. Der aus Goa stammende Pater Michael wieder mal in Topform und bat die Gemeinde nach einem Versprecher dem Bischof nichts davon zu verraten. Und zeremoniell sind die Katholiken schon immer auf der Überholspur, da gibts nichts.

Voll gedopt vom zweiten Glas Ürner Krütertee und zeitig vor den Gewittern am Nachmittag ging es los auf die Sinsgäuer Schonegg. Im ersten leichten Anstieg noch dem neuen Senn & Betrufer viel Glück gewünscht und bald schon verstummte wieder das Gebimmel der Kuhglocken und es setzte wieder diese typische und majestätische Stille der Berge ein, in der ausser vereinzelten Vogelstimmen fast nichts zu hören ist ausser dem Summen des Windes.

Steinzeitliches Zeichen; vielleicht auch Farbrest von der Wegmarkierung

Hoch oben die Ausflügler auf dem Brisen und innerliches Kopfschütteln ob der harten Tour genau vor Jahresfrist bei bestimmt 10 Grad höheren Temperaturen. Auf der Schonegg dann nur kurzer Rück- und Ausblick, die zunehmenden Schlieren in der Atmosphäre unverkennbar und die Marschtabelle auf das Postauto leicht im Defizit. Fast im Galopp dann talwärts, vorbei am stengellosen Enzian, vorbei an der Kastenbahn, da bereits 10 Minuten gut gemacht und Beine inklusive Knie weiterhin gut. Gedanken kreisten um ein Trinksystem, spart Zeit und Kraft sieht aber affig aus. Im Tal dann aus 20 Minuten Rückstand noch 10 Minuten Vorsprung gemacht; sag nur Kräutertee (und Erdanziehung natürlich).

Jauchzer

Die euphorisierte Rückfahrt gipfelte in einem Naturjodel in der Bahnhofshalle, als ein vom Jodelfest heimkehrender Dosenbiertrinker in Tracht mir freundlich zujodelte. Wirklich nette Geste das, vielleicht wirkte ich auch wie ein wettergegerbter Naturbursche. Quasi doppelt gesegnet schaute ich bequem auf dem Sofa die abendlichen Unwetter in den Bergen dann im Regenradar an und äugte derweil schon mal voraus auf den eventuellen Saisonhöhepunkt mit dem Pass. Aber nicht als Ausweis.

Muotatal jetzt auch in Uri

 

 

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